Die „Heiligen Häupter von Roermond“ am CICS
Rund 50 kunstvoll verpackte Objekte von der Größe einer Kokosnuss liegen auf einem Tisch im Cologne Institute of Conservation Sciences (CICS). Es handelt sich um Reliquien: Menschliche Gebeine, die in Kirchen verehrt wurden. Studierende des Instituts bearbeiten die Fundstücke. Studierende aus dem Bachelorstudiengang Online-Redaktion haben den Prozess begleitet und eine Webseite erstellt.
Die Reliquien wurden 2013 aus einer vermauerten Nische der Roermonder Münsterkirche geborgen und sind heute als „Heilige Häupter von Roermond” bekannt. Es handelt sich vor allem um Fragmente von menschlichen Schädelknochen, die mit viel Aufwand in Textilien gehüllt wurden. Analysen zeigten, dass die ältesten verwendeten Stoffe aus dem 13. Jahrhundert stammen, die jüngsten aus dem 17. Jahrhundert. Offenbar wurden die Reliquien immer wieder neu bearbeitet und der Mode der Zeit angepasst. Christ*innen sprachen Reliquien eine wundersame Wirkung zu, wie etwa die spontane Heilung von schwerer Krankheit.
Forschungsergebnisse beeinflussen Lehre
Am CICS werden sie gereinigt, untersucht und so behandelt, dass ihr jetziger Zustand erhalten bleibt. Paulina Lambeck ist eine der Studentinnen des Instituts, die sich dieser Aufgabe angenommen hat. Obwohl die Studierenden es gewohnt sind, an teils jahrhundertealten Originalen zu arbeiten, stellte diese Aufgabe die Gruppe vor Herausforderungen. „Es hat etwas gedauert, mit den Häuptern warm zu werden. Normalerweise sprechen wir bei unserer Arbeit von Objekten, aber hier handelt es sich ja eindeutig um Subjekte, deren menschlicher Ursprung klar erkennbar ist“, führt sie aus.
Bildergalerie
2013 wurden in einer vermauerten Nische der Münsterkirche von Roermond 45 Reliquienschädel geborgen, die sich jetzt am Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft befinden. (Bild: Johanna Goebel / TH Köln)
Christ*innen sprachen Reliquien eine wundersame Wirkung zu, wie etwa die spontane Heilung von schwerer Krankheit. (Bild: Johanna Goebel / TH Köln)
Die Knochen wurden mit viel Aufwand in Stoff gehüllt und immer wieder neu bearbeitet und verschönert. (Bild: Johanna Goebel / TH Köln)
Analysen zeigen, dass die Reliquien in ihrer heutigen Form zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert entstanden. (Bild: Johanna Goebel / TH Köln)
Mit Untersuchungen wie Scans im Computertomographen oder der Videomikroskopie versuchen die Wissenschaftler*innen herauszufinden, mit welchen Materialien und Methoden die Reliquien umhüllt wurden. Auch die Frage, warum die heiligen Gegenstände überhaupt auf diese Weise behandelt wurden, interessiert das Team. Zeitgleich fließen die Erkenntnisse aus der Forschung in die Lehre ein. „Zurzeit untersuchen wir insbesondere diejenigen Stoffe, die mit Verzierungen bedruckt wurden. Studierende des zweiten und sechsten Semesters haben dieses Thema aufgegriffen und in einem Workshop mittelalterliche Rezepturen für Farbstoffe nachgestellt und damit Versuchsreihen gestartet. Die historischen Handwerksmethoden selbst anzuwenden, erzeugt ein tieferes Verständnis, das später bei der Konservierung und Restaurierung hilft“, erklärt Lambeck, die gerade ihre Bachelorarbeit abgeschlossen hat.
Vielfältige Medien erklären das Thema
Um diese Forschungsarbeit auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, kooperierte das Institut mit dem Studiengang Online-Redaktion des Instituts für Informationswissenschaft. „Mit einem Team von dreizehn Studierenden mussten wir uns zunächst einmal tief in diese Materie eindenken. Es war ausgesprochen spannend, in ein Thema einzutauchen, mit dem wir vorher nichts zu tun hatten, und zu überlegen, wie wir es leicht verständlich vermitteln können“, sagt Johanna Goebel, die im Projekt unter anderem für die Fotodokumentation zuständig war.
Die "Heiligen Häupter von Roermond" in den Medien
So entstand die Webseite www.heilige-haeupter.de, die das Projekt aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Themen sind die Geschichte der Reliquienverehrung seit dem frühen Christentum, die Arbeit an den Häuptern aus Sicht der Studierenden und ein Exkurs zu den Textilien, die an den Häuptern gefunden wurden. „Besonders interessant war es für uns, mit verschiedenen Medien zu arbeiten und so vielfältige Zugänge zum Thema zu ermöglichen. Neben Texten und Bildern haben wir auch diverse Videointerviews mit Expert*innen geführt, ein Lexikon erstellt und bieten 3D-Scans von drei Häuptern an, mit denen man sich am Computer um die Objekte bewegen und sehr nahe heranzoomen kann“, ergänzt George Timm.
Über das Vorhaben
Das Gemeinschaftsprojekt der Bachelorstudiengänge Online-Redaktion und Konservierung und Restaurierung von Kunst und Kulturgut (Studienrichtung Textilien und Archäologische Fasern) wird von Prof. Dr. Petra Werner und Prof. Dr. Nicole Reifarth geleitet. Die Bergung der Reliquien aus der Münsterkirche erfolgte durch die damalige Masterstudentin Frances Bazok-Busch in Begleitung von Dr. Anne Sicken. Der Workshop zu Farbdrucken wird von Prof. Dr. Nicole Reifarth und Dr. Doris Oltrogge organisiert.
Juli 2024