Ein Beitrag von

Henrike Klehr

Team Web-Kommunikation

"Debattieren ist ein Teamsport"

Prof. Dr. Krönig und Anouk Kinzel (Bild: Augusto Sales/privat und Henrike Klehr/TH Köln)

Seit fast einem Jahr gibt es einen Debattierclub an der TH Köln. Jeden Montagabend treten die Debattant*innen an das Rednerpult – für einen Schlagabtausch um die schlüssigsten Argumente und die feinste Rhetorik.

Die Teilnehmenden strecken die Hände hoch, sie stimmen über das Thema der Debatte ab. Im Zentrum des Abends steht die Frage, ob Minister*innen Berufserfahrung in ihrem Bereich haben sollten. Die Debattant*innen haben nur 15 Minuten Zeit, sich vorzubereiten. Sie verteilen sich, sitzen auf Treppenstufen und Bänken im Gebäude des Campus Südstadt am Ubierring 48. Es wird gekritzelt, gebrainstormt und Stopp: Der Handywecker klingelt, die Zeit ist rum. Die Teilnehmenden gehen zurück in den Clubraum. Das Rednerpult steht bereit, die Debatte beginnt.

Zwei Debattierfans, eine Idee

Die Studentin Anouk Kinzel und Prof. Dr. Krönig hatten unabhängig voneinander die Idee, einen Debattierclub in Köln aufzubauen. Prof. Dr. Krönig von der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der TH Köln wollte neue Lehr-, Lern- und Prüfungsformate entwickeln. Drei Jahre lang experimentierte er mit Debatten an der TH Köln, um die Diskussionskultur in den Studiengängen zu fördern. Er wollte auch gerne einen Debattierclub starten. Doch laut dem Verband der Debattierclubs an Hochschulen (VDCH) sollte die Gründung eines solchen Clubs von Studierenden ausgehen.

„Debattieren ist ein Teamsport“, erklärt eine Teilnehmerin am Abend der Debatte. Schnell wird klar, wieso sie es Sport nennt: Stimmbänder werden gedehnt, Atemluftreserven geleert und Argumente unterschiedlicher Schwergewichtsklassen von Juror*innen gegeneinander abgewogen. Die Teilnehmer*innen springen vom Stuhl auf, um Fragen zu stellen. Zwischenrufe sind erlaubt, Beleidigungen nicht. Auch im Sinne der Fairness ist es eine sportliche Debatte.

Über 400 Kilometer von Prof. Dr. Krönig und der TH Köln entfernt fing Anouk Kinzel mit dem Debattieren an. Als sie für ihren Master von Magdeburg nach Köln zog, wollte sie wieder einem Debattierclub beitreten. Doch die Stadt war ein überraschend weißer Fleck auf der Debattierclub-Karte. Kinzel beschloss, selbst einen Debattierclub zu starten: Sie erstellte eine Website, beantragte eine Förderung und organisierte, was für eine Clubgründung nötig ist. Als der VDCH Kinzel und Prof. Dr. Krönig miteinander in Kontakt brachte, war das der zündende Funke, der die Realisierung ermöglichte. Im Oktober 2022 haben Kinzel und Prof. Dr. Krönig den Club an der TH Köln eröffnet. Wenig später nahmen Clubmitglieder an der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft teil und wurden westdeutscher Vizemeister.

"Referate halten macht mir gar nichts mehr aus."

Kinzel hat eine ruhige Art, aber man merkt ihr die Begeisterung deutlich an, sobald sie über ihr Hobby spricht: „Im Alltag denke ich mir: Gut, dass ich debattiere!“ Sie habe dadurch gelernt, für ihren eigenen Standpunkt einzustehen. Auch im Studium sei es von Vorteil: „Früher hatte ich immer einen Puls beim Referat halten. Ich bin in Schweiß ausgebrochen. Jetzt werde ich einen Tag vorher gefragt, spontan ein Referat zu halten, dessen Thema ich nicht kenne, und es macht mir gar nichts mehr aus.“

Einer der Debttant*innen am Rednerpult Ein Teilnehmender debattiert am Rednerpult. (Bild: Henrike Klehr/TH Köln)

Wer den Debattant*innen zusieht, den oder die wundert nicht, dass sie auch ganz entspannt spontane Referate halten können. Manche der Teilnehmenden trainieren schon seit Jahren in anderen Clubs und halten Reden, bei denen das Gefühl aufkommt, man hätte sich von der TH Köln in den Bundestag teleportiert. Die Reden sind gut strukturiert, werden mit Punkt und Komma vorgetragen und das oft ohne ein einziges „Ähm“. Gleichzeitig ist der Debattierclub sehr anfängerfreundlich. Neulinge werden direkt mit in die Gemeinschaft aufgenommen. Angst vor dem Auftritt muss niemand haben. „Wir sind hier, um zu lernen. Wenn man vorne am Pult steht, dann ist das natürlich eine komische Situation. Aber die Leute spüren, dass dieser Raum ein Safe Space ist. Niemand wird dich auslachen, niemand wird dazwischen pöbeln. Wir sind hier, um zusammen debattieren zu lernen und Spaß zu haben“, sagt Kinzel.

Expertise am Rednerpult

Während in klassischen Debattierclubs die Teilnehmenden mit Allgemeinwissen argumentieren, lässt sich das Format auch mit wissenschaftlicher Expertise bespielen. „Hochschulen sind ein ausgezeichneter Ort politischer Öffentlichkeit“, sagt Prof. Dr. Krönig. Durch die wissenschaftliche Basis der Hochschulen würden politische Fronten weniger verhärten. „Die jeweils anderen werden nicht zu ‚Feinden‘, sondern zu Debattiergegner*innen, die man sogar benötigt, um seinen eigene Position zu schärfen und Lücken oder Fehler in der eigenen Argumentation zu erkennen“, erklärt er.

An der TH Köln geht der Debattierabend zu Ende. Die Teilnehmenden gehen – wie jeden Montag – im Anschluss noch ins Café um die Ecke und gönnen sich Kuchen. Neben all den Fähigkeiten, die man sich beim Debattieren aneignet: Am Ende geht es auch stark um die Gemeinschaft.

Juli 2023

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Henrike Klehr

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