Das Gute im Bösen

Marcus Bösch und Linda Kruse (Bild: Thilo Schmülgen/FH Köln)

Sie stellen sich vor, wie sich der Spieler fühlt. Wie er sich fühlen soll, wenn er spielt. Und, was er lernen soll. Nebenbei oder mit Absicht. Denn Linda Kruse und Marcus Bösch entwickeln nicht einfach Computerspiele. Ihr Ding heißt: Serious Games, oder Newsgames.

Beim Daddeln mehr als Spaß haben, darum geht es. Kinder können spielend Englisch lernen, Jugendliche und Erwachsene die deutsche Geschichte in Puzzle-Bildern erfahren, und jeder kann beim martialisch klingenden „Baltic Warriors“ die verheerenden Folgen einer übergroßen Algenblüte in der Ostsee erfahren.

Kruse und Bösch sind 2013 mit ihrem Unternehmen „The Good Evil“ in Köln gestartet. Beide hatten Medienausbildungen hinter sich, sie in der Filmproduktion, er im Journalismus. Getroffen haben sie sich dann 2010 beim Start des Masterstudiengangs Game Development and Research der Fachhochschule Köln. Damals gab es noch ganze drei andere Erstsemester und zwei Professoren. „Ein gutes Verhältnis“, sagt Bösch, der zuvor gelangweilt war von dem, was der Journalismus heute zu bieten hat. „Ich wollte Journalismus und Games kombinieren. Es war toll, in der Startphase dieses Studiengangs dabei zu sein“, erzählt er. Praktische Inhalte wie Design und Programmieren gehören ebenso zum Studium wie Spieltheorie. Gleich nach ihrem Master gründeten beide die Firma, in der sie noch einen Programmierer beschäftigen und demnächst noch eine Designerin.

Aktuelles Produkt, das mit Förderung durch die Film- und Medienstiftung NRW entstehen konnte, ist „Squirrel und Bär“. In dem Spiel sollen Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren eine magische Heilpflanze finden, um die Bienen im Bergenland zu retten. Und dabei lernen sie englische Wörter kennen. Das Lernabenteuer, optimiert für Tablet-Computer, wurde für den Deutschen Computerspielpreis in der Kategorie „Bestes Nachwuchskonzept“ nominiert.

Spielen und Lernen. Ein bisschen sehr pädagogisch? Linda Kruse sagt: „Spielen heißt immer Lernen. Das fängt schon mit der Koordination von Hand und Auge an. Und in dem Moment, in dem ich spiele, habe ich eine größere Bereitschaft Dinge aufzunehmen.“ Auch die harten Sachen. Im vergangenen Jahr haben Leute, die das Gute im Bösen sehen, ein Newsgame namens „Prism“ entwickelt. Ein ironisches kleines Programm, um einmal ein bisschen NSA zu spielen.

Den beiden Firmengründern war von Anfang an klar, dass reine Spaßspiele nicht ihr Ding sind. Einfach, weil die Arbeit an den „seriösen“ Games interessanter ist. „Das ist spannender, als das nächste Ballerspiel zu machen, das es schon zwanzigtausend Mal gab, und bei dem nur die Grafik immer besser wird“, sagt Linda Kruse. Außerdem sind beide überzeugt, dass Serious Games in Deutschland immer mehr Verbreitung finden werden. Bösch: „In den USA ist das der stärkste Trend auf dem Spielemarkt. Da werden Mediziner oder Soldaten schon spielerisch ausgebildet.“

Hierzulande ist es noch nicht so weit. „The Good Evil“ kann noch nicht bloß auf Eigenproduktionen setzen. Auftragsarbeiten, etwa für Bildungs- und Kultureinrichtungen oder die Beratung von Medien bei der Nutzung von Spielen in deren Angebot, sind die beiden anderen Säulen des Geschäfts. In Zukunft aber, da sind die Jungunternehmer sicher, werden Spiele sogar die Arbeitswelt prägen. Kruse: „Das Spiel ist für uns das Leitmedium des 21. Jahrhunderts. Arbeitgeber müssen sich darauf einstellen, dass viele junge Leute spielen. Die sind mit den alten Lernmethoden nicht mehr zu erreichen.“

Aber mit den neuen umso mehr? Es gibt jedenfalls das Beispiel eines Stahlunternehmens aus dem Ruhrgebiet, das aus Schichtbesetzungen Teams machte, für Effizienz Punkte vergab und als Gewinn längere Pausen versprach. Damit erreichte die Firma nicht nur eine bessere Arbeitsleistung, sondern auch mehr Kommunikation unter den Mitarbeitern. Wann sich solche Methoden überall verbreitet und einen riesigen Markt für Unternehmen wie „The Good Evil“ eröffnet haben, ist schwer abzusehen. Vorerst hoffen Kruse und Bösch erstmal darauf, dass „Squirrel und Bär“ im Frühjahr im App Store erhältlich sein wird und in der Unmenge von Angeboten dort auffällt.

Text: Werner Grosch

April 2014

Hände und Spielekonsolen (Bild: iStock)

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30 Millionen Deutsche spielen regelmäßig Computer- und Videospiele. Das Dossier gibt einen Überblick über die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich Games, Spieleentwicklung und Game-Design an der TH Köln sowie neue, ausgezeichnete Spielideen.

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