Das Beste aus beiden Welten
Wer aus Satellitenbildern Risiken für den Küstenschutz ableiten will, muss entweder sehr viele Fotos anschauen – oder sich des Machine Learnings bedienen. Dabei wird ein mathematisches Modell mit Beispieldaten aus Videos, Text oder eben Bildern so trainiert, dass es auf neue Fälle angewandt werden und Vorhersagen treffen kann. Mit dieser Herangehensweise beschäftigt sich auch Dr. Hakan Akdag.
Dabei bewegt er sich in gleich zwei Kontexten: Im Rahmen des Tandemprogramms der TH Köln arbeitet er sowohl als Postdoc an der Hochschule als auch als Machine Learning Scientist beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das hat einige Schnittstellen: „Methodisch beschäftigen sich zum Beispiel beide Institutionen damit, wie man die Auswertung sehr großer Datenmengen mit Machine Learning umsetzen kann“, erklärt Akdag. „Beim DLR werden Satellitendaten ausgewertet, um Risikoanalysen in Küstenregionen zu fahren. An der Hochschule geht es um Flutvorhersagen, zum Beispiel in Regionen wie dem Ahrtal.“
Den Mittelweg zwischen Hochschule und Praxis hat Akdag sich bewusst ausgesucht. Nach seiner Promotion in der theoretischen Physik schaute er sich nach Möglichkeiten der anwendungsorientierten Forschung um. Seine Suche führte ihn zum Tandemprogramm der TH Köln, das Wissenschaftler*innen früher Karrierestufen akademisch und berufspraktisch qualifiziert. Mit Prof. Dr. Gernot Heisenberg vom Institut für Informationswissenschaft war der hochschulseitige Betreuer bald gefunden. Gemeinsam recherchierten sie mögliche Praxispartner. Der passende Kandidat lag laut Heisenberg quasi auf der Hand: „Wenn man ernsthafte Forschung betreiben will, kommt man am DLR nicht vorbei, vor allem, wenn man sich bei Themen wie Deep Learning oder Machine Learning profilieren möchte.“ Auch das DLR musste nicht lange über die Kooperation nachdenken: „Das ist für uns ein großer Vorteil“, so Dr. Alexander Rüttgers, Leiter der Gruppe Scalable Machine Learning am DLR-Institut für Softwaretechnologie, und DLR-seitiger Tandembetreuer. „Wir schätzen den Kontakt zur Hochschule über das Tandemprogramm sehr, denn so haben wir als außeruniversitäre Forschungseinrichtung die Möglichkeit, Studierende unmittelbar für unsere spannenden Themen zu begeistern.“
Ein Geben und Nehmen
Akdag fungiert in den kommenden drei Jahren als Bindeglied zwischen diesen Chancen und Erwartungen. Auf dem Papier sind seine beiden Stellenanteile getrennt – 80 Prozent beim DLR mit einem Fokus auf Forschung und 20 Prozent Lehre an der TH Köln. Die Realität jedoch bietet einiges an Flexibilität, denn Rüttgers und Heisenberg kennen den Wechsel zwischen Hochschule und Praxis aus eigener Erfahrung. „Sowohl mein Abteilungsleiter als auch ich geben Lehrveranstaltungen an Hochschulen“, so Rüttgers. „Wir wissen, dass Hakan zum Beispiel in Prüfungsphasen etwas mehr Zeit in die Lehre investieren muss, was sich dann aber an anderer Stelle wieder ausgleicht.“ Heisenberg ergänzt: „Ich habe mich nach meinem Studium für die angewandte Forschung und eine Promotion entschieden, dann ein Softwareunternehmen gegründet und im Vertrieb gearbeitet, war aber gnadenlos unglücklich. Ich wollte zurück in die Forschung, und das habe ich zum Glück auch geschafft. Vielen ist dieser Weg versperrt, weil sie zu lange raus waren. Deshalb freut es mich für Hakan, dass er diese verschiedenen Hüte gleichzeitig ausprobieren kann.“
Das Angebot an Flexibilität hat auch noch einen anderen Hintergrund: die Konkurrenz um qualifizierte Bewerber*innen. „Machine Learning erzeugt auch in der Wirtschaft einen unglaublichen Hype“, sagt Rüttgers. „Das DLR punktet mit spannenden Themen in der Luft- und Raumfahrt und der Möglichkeit, in einem anwendungsbezogenen Forschungsumfeld zu arbeiten.“ Davon profitiert auch die Hochschule: Dank dem DLR hat sie Zugriff auf eine gute Infrastruktur und spannende Daten, die dann beispielsweise Studierende für ihre Abschlussarbeiten nutzen können.
Einfach mal ausprobieren
Akdag kann sich von seinen beiden Arbeitgebern jeweils das Beste herauspicken – interessante Forschung beim DLR, erfüllende Lehre an der TH Köln. Es ist gerade diese Kombination, die ihn reizt: „Das Tandem ist für mich eine effiziente Möglichkeit, etwas Spannendes zu machen und gleichzeitig Zeit zu gewinnen, beide Wege hybrid verfolgen zu können.“ Das sieht auch Heisenberg als Chance: „Heutzutage kann man sich der Karriereentwicklung oft nicht intellektuell nähern, sondern man muss es erleben. Das macht das Tandem möglich, und es ist gleichzeitig ein guter Nährboden für brillante Forschung und Lehre, das greift alles ineinander.“ Damit alles läuft wie geschmiert, behält das Tandem auch immer die Herausforderungen im Blick, vom Finden eines Forschungsprojekts, das beide Parteien zufriedenstellt, bis zum Zeitmanagement. „Um eine Vorlesung vorzubereiten, brauche ich mehr als die 20 Prozent meiner Arbeitszeit, die dafür zu Verfügung stehen“, so Akdag. „Gerade jetzt zu Anfang des Tandems muss man sich erst mal einfinden. Ich habe ja nicht nur einen neuen Job, in den ich mich einarbeite, sondern zwei.“ Durch diese Phase muss man durch, das sieht auch Heisenberg: „Das Onboarding ist zunächst ein fordernder Prozess, aber irgendwann kommt die Routine automatisch und dann haben wir Ressourcen frei für Neues – für Projekte und für die spannenden Ideen.“
Über das Personalgewinnungskonzept „PLan_CV“
Das Tandemprogramm ist ein Baustein des Projekts PLan_CV („Professur-Laufbahn an Hochschulen für angewandte Wissenschaften neu denken: Collaboration und Vernetzung“). Es soll exzellentes Personal für Professuren an der TH Köln gewinnen und eine bessere Durchlässigkeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft erreichen. Das Projekt wird im Rahmen des Programms zur Förderung der Gewinnung und Qualifizierung professoralen Personals an Fachhochschulen mit 12,4 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Dezember 2024