Kreative Workarounds für Bachelor-Thesis
Student an der Fakultät für Kulturwissenschaften: Während in Deutschland die Corona-Pandemie ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte, schrieb ich meine Bachelor-Thesis. Das heißt, ich musste für alle möglichen Situationen und Begebenheiten Workarounds (er-)finden, um handlungsfähig zu bleiben. So musste ich bei meinem Praxisteil, einem Live-Rollenspiel, in alle Rollen selber schlüpfen (Bild).
Literaturrecherche
Alles fing damit an, dass es nicht möglich war, einfach in die Bibliothek zu gehen und den Literaturbestand zu sichten, sondern ich musste ausschließlich per Stichwortsuche relevante Werke recherchieren, die auch nicht alle digital verfügbar waren. Selbst Fernleihe war nicht möglich, sodass gefundene Werke, die nicht digital zu haben waren, auch nicht nach Hause geliefert werden konnten. Es war mir eingeschränkt möglich, durch den Kauf entsprechender Literatur Abhilfe zu schaffen, aber diese Option war natürlich stark eingeschränkt.
Video statt Live-Rollenspiel
Genauso war es aufgrund des notwendigen Social Distancing natürlich nicht machbar, eine reale Testsession für den Praxisteil meiner Bachelorarbeit durchzuführen. In meiner Bachelor-Thesis habe ich mich mit der Nutzung digitaler Medien in der aktuellen Jugendarbeit beschäftigt. Dafür habe ich ein System entwickelt – bestehend aus einer App und Bluetooth-Geräten – das in ein Rollenspielsetting eingebettet wird. Mein Praxisteil basierte auf diesem Live-Rollenspiel und wäre somit mit realen Menschen in den diversen Rollen durchzuführen gewesen. Um meinen Prüfern dennoch zu ermöglichen, diesen Teil der Arbeit nachvollziehen zu können, habe ich ein Video aufgenommen, in welchem ich selbst in die diversen Rollen schlüpfte und dies durch unterschiedliche Kleidung und Accessoires kenntlich machte.
Hoher Mehraufwand
Dieses Video habe ich dann auch zur Evaluation des Projektes mit dessen Zielgruppe genutzt, welche ich in Telefonkonferenzen durchführen konnte. Dieses Video aufzunehmen und zu schneiden war natürlich ein enormer Overhead. Im Rahmen der Thesis mussten wir eine Zwischenstandspräsentation halten. Diese sollten wir als Video einreichen. Die eigentlichen Präsentationsfolien standen nach einigen Stunden, aber ein Video mit Voice-Over daraus zu machen, brauchte einige Tage. Schließlich wird ja schon erwartet, bei einem im Vorfeld aufgenommenen Text keine Fehler im Vortrag abzuliefern.
Verteidigung der Arbeit
Außerdem stand am Ende die Verteidigung der Arbeit an. Dafür musste ich in Zoom über den geteilten Bildschirm die Folien „präsentieren“ und dazu dann live den Vortrag halten. Dabei ist mir die Internetverbindung weggebrochen – ich war entsprechend bei der Wiederaufnahme des Vortrages etwas nervös, auch wenn mein Publikum mir hinterher sagte, das hätte man nicht gemerkt. Allerdings brauchte ich doch einige Minuten, um wieder gut in den Vortragsflow zu kommen und mich wieder "sicher" zu fühlen.
Unterm Strich ist das Schreiben einer solch wichtigen und auch relativ umfangreichen Arbeit unter Pandemiebedingungen absolut nicht empfehlenswert. Es gab Tage, an denen ich mich auf nichts wirklich konzentrieren konnte, da ich mir viel mehr Sorgen um das Geschehen außerhalb meiner eigenen vier Wände gemacht habe – da erscheint einem eine Bachelorarbeit im direkten Vergleich geradezu lächerlich "unbedeutend" und irgendwie "irrelevant".
Masterthesis hoffentlich wieder normal
Ich bin sehr gespannt auf die Lehre im nächsten Semester, wenn ich mit meinem Master starte. Ich kann mir bisher nur schwer vorstellen, einem Online-Vortrag genauso konzentriert beiwohnen zu können, wie einer realen Vorlesung. Auch, wenn ich bei der aktuellen Entwicklung leider daran zweifeln muss, wünsche ich mir doch sehr, meine Masterthesis in 3 Semestern dann unter anderen Rahmenbedingungen schreiben zu können.
Beim Mentoringprogramm Best Tandem unterstützen Studierende mit Beeinträchtigung ebenfalls beeinträchtigte StudienanfängerInnen. Nadine Sohn leitet das Programm. Sie hat bei den TeilnehmerInnen nachgefragt, wie sie das Studieren unter Corona-Bedingungen empfinden und sehr persönliche, differenzierte Antworten erhalten. |
August 2020