Ausbalanciert: Gut Ding will Weile haben

Balancetrainer Feedbalance  (Bild: Thilo Schmülgen/TH Köln)

Menschen, die einen Schlaganfall erlitten oder eine Hüftoperation hinter sich haben, müssen ihren Gleichgewichtssinn stimulieren. Dabei kann zukünftig ein Balancetrainer helfen, der im Labor für Regelungstechnik und Mechatronik entwickelt worden ist. Zehn Jahre Forschungsarbeit stecken in Feedbalance – dafür ist mit dem Gerät das Hinfallen jetzt fast nicht mehr möglich.

Als Sebastian Zareba zum ersten Mal von der Idee eines "feedback-orientierten Balancetrainers" hörte, studierte er im fünften Semester Konstruktionstechnik. Für Prof. Dr. Heinrich Ratjen erarbeitete er als studentische Hilfskraft die ersten Entwürfe. Zehn Jahre später ist sein damaliger Professor emeritiert und Zareba beschäftigt sich noch immer mit dem Balancetrainer: Als Projektleiter in einen Nachfolgeprojekt im Labor für Regelungstechnik und Mechatronik von Prof. Dr. Mohieddine Jelali. Ein ganzes Jahrzehnt für eine Idee: Wie fühlt es sich an, wenn aus einer Vision ein beinahe marktreifes Produkt geworden ist? "Sehr gut", antwortet der heute 31-jährige und grinst breit.

Und was kann der feedback-orientierte Balancetrainer, der auf den Namen FeedBalance hört? "Das Gerät analysiert die Balancefähigkeit eines Probanden und kann durch gezielte Stimulation das Gleichgewichtsverhalten verbessern", erklärt Zareba. Grundlage dafür ist eine sehr präzise Druckplatte des Projektpartners zebris Medical, durch die Zarebas Team bis auf einen Millimeter genau sagen kann, wo der Schwerpunkt eines Menschen liegt und wie gut er diesen Schwerpunkt halten kann. "Jeder Mensch schwingt hin und her – auch wenn man das Gefühl hat, exakt gerade zu stehen. Diese Schwingungen messen wir. Durch ihre Veränderungen können wir etwa berechnen, ob der Mensch auf dem Gerät die Augen geschlossen hat oder auf einem Bein steht", sagt Zareba.

Sebastian Zareba Sebastian Zareba (Bild: Thilo Schmülgen/TH Köln)

Hinfallen (fast) unmöglich

Die Technik könnte beispielsweise in Krankenhäusern eingesetzt werden. Bei Patienten, die nach langwieriger Krankheit das Bett wieder verlassen dürfen, muss getestet werden, wie gut der lange Zeit untätige Gleichgewichtssinn funktioniert. "Bislang machen Mediziner eine Sichtprüfung, um zu entscheiden, wie gut der Patient stehen kann. FeedBalance kann diese Entscheidung mit genauen Daten unterstützen",  sagt Zareba. Ein weiterer Vorteil gegenüber der bisherigen Vorgehensweise: Solange der Patient auf der Platte steht, kann er im Prinzip nicht umfallen. Denn zwei Motoren bewegen die Druckplatte und reagieren auf die Gleichgewichtsveränderungen der Probanden. "Ein Mensch, der das Gleichgewicht verliert, behält seine Körperspannung, kippt aber in eine Richtung um. Wenn man schwankt oder umfällt, geht dem eine Verlagerung des Schwerpunkts voraus. Unsere Sensoren messen und berechnen, in welche Richtung der Patient das Gleichgewicht verliert. Die Motoren bewegen die Platte entsprechend und gleichen das Umfallen aus. Solange man nicht zusammensackt, ist Umfallen also unmöglich", so der gebürtige Kölner.

Training für Kranke und Sportler

Menschen, deren Gleichgewichtssinn etwa durch einen Schlaganfall oder eine Hüft-Operation beeinträchtigt ist, können mit FeedBalance trainieren. "Die Platte wird sanft unter dem Patienten wegbewegt, so dass dieser ins Schwanken kommt und ausgleichen muss. Damit stimulieren und trainieren wir den Gleichgewichtssinn und stabilisieren den Patienten auf Dauer", sagt Zareba. Auch für Profisportlerinnen und -sportler bietet die Plattform Trainingsmöglichkeiten, etwa für die Reaktionsfähigkeit. "Dann wird die Platte sehr abrupt bewegt, wir erreichen Bewegungsgeschwindigkeiten von bis zu einem Meter pro Sekunde. Das ist dann auch für Hochleistungssportler eine Herausforderung."

Auf dem Weg zur Serienreife

Seit den ersten Konzepten vor zehn Jahren ist viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit in FeedBalance gesteckt worden. In drei Forschungsprojekten ist aus einer Idee ein beinahe
fertiges Produkt geworden. Etwa 25 Studierende brachten sich insgesamt in das Vorhaben ein und verfassten rund 20 Abschlussarbeiten. Nun ist FeedBalance patentiert und bereit für die Serienfertigung. Die von Zareba und seinem Team geschriebenen Trainingsprogramme und verschiedenen Modi sollen jetzt vom Klinikum der Universität München für zwei Monate durch Probanden erprobt werden.

Wenn diese Tests erfolgreich sind, muss der FeedBalance-Trainer noch für die Serienproduktion optimiert werden. Dies übernimmt der Projektpartner Haider Bioswing, der das fertige Produkt auch vertreibt. "Zurzeit haben wir noch ein recht einschüchterndes, rohes Design mit vielen Kabeln und blankem Metall. Die Motoren sollen deutlich kleiner und nicht mehr sichtbar sein, so dass das ganze Gerät freundlicher wirkt. Zudem benötigen wir noch ein Display, in dem das aktuelle Trainingsprogramm angezeigt wird", sagt Zareba.

"Natürlich hat nicht alles auf Anhieb funktioniert", gibt der Projektleiter zu. "Aber wir sind die Probleme so angegangen, wie man das in Ingenieurberufen macht: Wir haben die Schwierigkeiten untersucht, erkannt und dann gelöst." Im heutigen Prototyp seien alle Ideen umgesetzt, die das Team schon im allerersten Vorgängerprojekt formuliert hatte. Zarebas Wunsch: "Phantastisch wäre es natürlich, wenn das Produkt auf den Markt kommt und sich auch halten kann. Als alter Mann könnte ich dann in der Reha auf meinem eigenen Gerät  trainieren."
Text: Christian Sander

Januar 2016

Ein Artikel aus dem Hochschulmagazin


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