Ein Beitrag von

Marcel Hönighausen

Marcel Hönighausen

Team Presse und Öffentlichkeitsarbeit

  • Telefon+49 221-8275-5205

Auf sechs Beinen durch die virtuelle Kurve

Fahren, ohne die Straße zu berühren: Das geht mit dem Hexapod-Fahrsimulator im Gemeinschaftslabor des Instituts für Fahrzeugtechnik (IFK). Der Prüfstand befindet sich auf einer beweglichen Plattform mit sechs Antriebseinheiten, den Beinen, und bietet eine sichere Testumgebung für virtuelle Fahrversuche und Verkehrsexperimente, wie Prof. Dr. Edwin Kamau vom IFK im Interview erklärt.

Prof. Kamau, das halbierte Auto des Prüfstands war als ganzes Entwicklungsfahrzeug tatsächlich einmal auf der Straße. Wie ist es auf die sechs Beine der Bewegungsplattform gekommen?

Das Auto wurde noch unter dem mittlerweile emeritierten Prof. Dr. Jürgen Betzler, auf dessen Planungen das ganze Projekt zurückgeht, als ehemaliges Entwicklungsfahrzeug speziell für den Hexapod-Fahrsimulator an die Hochschule überführt. Um es in den Prüfstand zu integrieren, mussten verschiedene Anpassungen vorgenommen werden. So haben wir Komponenten wie den Motor entfernt und den hinteren Teil des Fahrzeugs abgetrennt, da die Bewegungsplattform nicht mehr als 750 Kilogramm tragen kann. Zudem haben wir Verstärkungselemente angebracht, sodass die Stabilität bei Bewegungen in der Simulation gewährleistet ist. Andere Elemente wie das Lenkrad, das Pedalerie-System oder der Schalthebel mussten ausgetauscht beziehungsweise weiterentwickelt werden, um sie mit der Simulation zu koppeln. Zu guter Letzt wurden verschiedene Sensorik- und Messsysteme eingebaut.

Wie funktioniert der Prüfstand?

Der Prüfstand ist als Driver-in-the-Loop-Simulator angelegt. Dabei stehen Fahrer*innen und deren Interaktion mit einem Fahrzeug- oder Fahrzeugassistenzsystem im Fokus. Um Testpersonen in die Simulation einzubinden, müssen geeignete Schnittstellen zur intuitiven und realitätsnahen Aufnahme von Informationen aus der virtuellen Umgebung sowie zur Eingabe von Steuerbefehlen gegeben sein. Unser Prüfstand ermöglicht es, solche Befehle über Pedalerie, Lenkrad und Schalthebel an das in der Simulation abgebildete Fahrzeug zu senden. Diese werden anschließend anhand dort hinterlegter Fahrzeug- und Streckenmodelle entsprechend grafisch dargestellt und in Form von Feedbackwerten wie Lenkradmoment oder Pedalkraft wiedergegeben. Darüber hinaus können Beschleunigungen und Geschwindigkeiten des virtuellen Fahrzeugs durch Plattformpositionen, -geschwindigkeiten oder -beschleunigungen abgebildet werden.

Was kann mit der virtuellen Testumgebung untersucht werden?

Es gibt viele verschiedene Anwendungsbereiche in Forschung und Lehre, in denen der Fahrsimulator zum Einsatz kommen kann. So lassen sich automatisiertes oder autonomes Fahren zum Beispiel ebenso gut untersuchen wie die Fahrdynamik, das Fahrwerk, das Fahrzeugverhalten oder verschiedene Verkehrssituationen wie Unfallszenarien. Neben technischen Aspekten können wir insbesondere auch die Mensch-Maschine-Interaktion erforschen. In einem Mastermodul führen wir dazu beispielsweise Neurountersuchungen durch. Dabei wird das Verhalten der Fahrenden mit Hilfe verschiedener Sensoren wie einem Elektroenzephalogramm zur Aufzeichnung der Gehirnaktivität oder Eyetracking aufgezeichnet und analysiert. Es bieten sich aber auch Untersuchungen an der Schnittstelle zu anderen Fachbereichen an: In der Diversitäts- und Genderforschung zum Beispiel zu geschlechtsspezifischen und diversitätsbezogenen Biases in KI-basierten Fahrfunktionen und Sicherheitssystemen, in der Spieleforschung zur Fahrer*in-Fahrzeug-Interaktion sowie neuen Designansätzen und im Versicherungswesen zum Verständnis von Unfallhergängen.

Welche Rolle spielt Motion Sickness?

Motion Sickness tritt auf, wenn das Gehirn eine Diskrepanz zwischen den visuellen Eindrücken, zum Beispiel den Bewegungen im Simulator, und den tatsächlichen physischen Empfindungen wahrnimmt. Das kann Übelkeit oder Unwohlsein auslösen. Bestimmte Bewegungsvorgänge wie langanhaltende Beschleunigungen oder normale Bremsbewegungen kann der Hexapod-Fahrsimulator nicht ein zu eins abbilden. In solchen Fällen gibt es aber diverse Tricks, mit denen solche Manöver simuliert werden können, um gleichzeitig Motion-Sickness-Effekten vorzubeugen. Wir bilden Bremsvorgänge zum Beispiel durch ein Neigen der Bewegungsplattform ab.

Der Fahrsimulator in Betrieb

Januar 2025

Ein Beitrag von

Marcel Hönighausen

Marcel Hönighausen

Team Presse und Öffentlichkeitsarbeit

  • Telefon+49 221-8275-5205


M
M