„Auf ein Kränzchen - 11 Fragen, 11 Antworten" – Interview mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker

In der »Fit for Invest« Interviewreihe „Auf ein Kränzchen – 11 Fragen 11 Antworten“ sprechen Unterstützerinnen und Unterstützer über verschiedene Perspektiven zu Entrepreneurship und Gründung in der Region Köln. Prof. Dr. Kai Thürbach und Prof. Dr. Marc Prokop interviewen Oberbürgermeisterin Henriette Reker.

Henriette Reker Oberbürgermeisterin Henriette Reker (Bild: Stadt Köln)

Prof. Dr. Thürbach: Wie wichtig sind neue Gründungen für Köln und welche Rolle spielt das Thema in der Gesamtstrategie für die regionale Entwicklung?
OB Reker: Köln wandelt sich fortlaufend. Einen bedeutenden Anteil daran tragen die mehr als 550 Start-ups in unserer Stadt. Sie entwickeln kontinuierlich neue Ideen und erfinden Bewährtes neu. Sie sind damit nicht nur für Köln, sondern für die ganze Region – wenn ich an Unternehmen wie DeepL denke, sogar international – ein wichtiger und verlässlicher Wirtschafts- und Wachstumstreiber.  
Laut dem Deutschen Start-up Monitor bleibt die Bedeutung des Heimatmarkts hoch – durchschnittlich machen die Start-ups hier 79,7% ihrer Umsätze. International werden die größten Umsatzanteile in Europa erwirtschaftet (12,4%). Das ist, mit Blick auf die aktuellen globalen Ereignisse, genau die richtige Entwicklung. Ein Blick auf die Zahlen zeigt zudem: Trotz Pandemie ist die Zahl der Neugründungen in den vergangenen drei Jahren stetig gewachsen. Im Jahr 2021 wurde in Köln etwa an jedem dritten Tag ein Start-up gegründet. Auch als Arbeitgeber sind junge Unternehmen wichtig: Mit durchschnittlich 18,4 Mitarbeitenden und 9,2 geplanten Neueinstellungen zeigen sich die befragten Start-ups in der gegenwärtigen Lage relativ robust. Die Zahl der geplanten Neueinstellungen stieg damit um 38 Prozent gegenüber dem Pandemiejahr 2020 – das hat der Deutsche Start-up Monitor ermittelt. Die vielen Gründerinnen und Gründer tragen somit maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg, der Attraktivität, Lebendigkeit und Vielfalt unserer Stadt bei.

Prof. Dr. Prokop: Sie haben sich für die „Neugründung“ der Wirtschaftsförderung als KölnBusiness stark gemacht. Ist das ein Start-up der Stadt und wie hilft es Start-ups?
OB Reker:
Man kann KölnBusiness mit ihrer ganzen Struktur und Geschichte durchaus als städtisches Start-up bezeichnen: Vor rund drei Jahren als GmbH gegründet, steht KölnBusiness als starke Partnerin Start-ups, Unternehmen und Selbstständigen in Köln mit agilen und digitalen Services zur Seite.  Junge Unternehmen unterstützt die Wirtschaftsförderung mit einem eigenen Team – der KölnBusiness Start-up Unit. Im direkten Austausch mit verschiedensten Akteurinnen und Akteuren entwickelt die Startup Unit das Ökosystem am Standort kontinuierlich weiter. Dazu berät sie Gründerinnen und Gründer unter anderem bei Finanzierungsfragen, der Suche nach Räumlichkeiten und der Internationalisierung. Sie ermöglicht jungen Unternehmen die Teilnahme an Fachmessen, entwickelt passgenaue Veranstaltungsformate und vernetzt Akteurinnen und Akteure im Ökosystem miteinander. Die Startup Unit von KölnBusiness leistet so einen entscheidenden Beitrag, dass der Gründungsstandort Köln auch in Zukunft einer der innovativsten und dynamischsten in Deutschland bleibt.

Prof. Dr. Thürbach: Sie unterstützen die Initiative »Fit for Invest«, in der sich die Kölner Hochschulen zusammengeschlossen haben, um gemeinsam Köln zu einer der Top-Regionen für Gründungen zu machen. Es gibt eine enge Zusammenarbeit zwischen Stadt und Hochschulen in diesem Bereich. Welche Rolle spielen die Kölner Hochschulen für die Stadt Köln mit Blick auf die Gründungsszene?
OB Reker: 
Hochschulen sind ein wichtiger Motor für das gesamte Gründungsgeschehen. Mit 22 Hochschulen, über 100.000 Studierenden und jährlich rund 14.000 Absolventinnen und Absolventen ist die Kölner Hochschullandschaft wesentliche Treiberin einer dynamischen Start-up-Szene. Viele der innovativen Gründungsideen am Standort entstehen in den Köpfen der Studierenden. Einen wichtigen Anteil daran haben Initiativen wie »Fit for Invest« und Gateway. Gründerinnen und Gründer werden hierbei von der Pike auf betreut und unterstützt. Gerade in der Frühphase – wenn es darum geht, mit ersten Ideen den Grundstein für ein langfristig erfolgreiches Unternehmen zu setzen – ist diese Begleitung elementar.

Prof. Dr. Prokop: Warum ist Köln für Investorinnen und Investoren und Business Angels interessant?
OB Reker:
Der Standort Köln bietet beste Rahmenbedingungen für Gründungen und ist somit als attraktives und aussichtsreiches Investment für Kapitalgeberinnen und -geber hoch interessant. Als größte Stadt in Nordrhein-Westfalen mit bester Verkehrsanbindung kommt Köln eine besondere wirtschaftliche Relevanz und Attraktivität zu. Neben dem ausgeprägten Hochschulnetzwerk innerhalb Kölns mit Tausenden Fachkräften, die jährlich auf den Arbeitsmarkt strömen, zieht die Stadt auch hochqualifizierte Absolventinnen und Absolventen aus den Exzellenz-Universitäten der erweiterten Region an. Und der breite Branchenmix der Kölner Wirtschaft führt zu einem ebenso breiten Spektrum an ausgebildeten Fachkräften in der Metropole. Das zahlt sich aus: Zurzeit sind in der Stadt rund 15 Venture Capital Fonds aktiv. Hinzu kommen zahlreiche Investorinnen und Investoren, die in der Stadt ein junges und B2B-orientiertes Start-up-Ökosystem vorfinden. Dieses ist ideal, um Produkte weiterzuentwickeln und Kundinnen und Kunden innerhalb und außerhalb von Deutschland zu gewinnen. Der breite Branchenmix am Standort bietet Kapitalgeberinnen und -gebern zudem die Möglichkeit, in verschiedenste Bereiche zu investieren und das eigene Portfolio zu ergänzen oder zu erweitern.


Prof. Dr. Thürbach: Womit kann Köln in Bezug auf Gründung punkten? Was sagen Sie Gründerinnen und Gründern, warum sie nach Köln kommen sollen?
OB Reker:
Köln ist ein resilienter Wirtschaftsstandort, der durch seine Branchenvielfalt auch in Krisenzeiten das Potenzial für Innovation und Wachstum bietet. Zudem verfügt Köln über eine exzellente Infrastruktur. Zehn Autobahnen, ein dichtes Schienennetz sowie drei interna-
tionale Flughäfen in unmittelbarer Nähe verbinden Köln mit ganz Europa. Bei der digitalen Infrastruktur punktet Köln mit der höchsten Ausbauquote von Glasfaserleitungen in ganz Deutschland. Darüber hinaus ist Köln eine unglaublich lebenswerte und offene Metropole, die Beschäftigte – und damit auch Fachkräfte – nicht nur nach Köln zieht, sondern auch am Standort hält.

Prof. Dr. Prokop: Was tut und hat Köln, damit erfolgreiche Unternehmen auch nach ihrer Gründung der Stadt erhalten bleiben?
OB Reker:
Als Oberbürgermeisterin setze ich mich dafür ein, dass Unternehmen am Standort optimale Bedingungen vorfinden. Dazu zählt unter anderem eine moderne und digitale Infrastruktur, die in Köln bereits sehr gut ausgebaut ist. Das Thema Fachkräfte spielt für Unternehmen ebenso eine große Rolle – gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Auch hier sind wir mit jährlich rund 14.000 Absolventinnen und Absolventen, von denen die meisten nach dem Studium in der Region bleiben, gut aufgestellt. Dennoch gilt es natürlich, die Bedingungen am Wirtschaftsstandort kontinuierlich zu verbessern. Mit KölnBusiness steht der Kölner Wirtschaft dafür eine hervorragende Ansprechpartnerin zur Seite, die Unternehmen, Start-ups und Selbstständige durch eine Vielzahl von Services und Initiativen auf dem Weg in eine nachhaltige und digitale Zukunft unterstützt und die verschiedenen Akteurinnen und Akteure am Standort miteinander vernetzt, sodass ein Wissensaustausch stattfinden kann.

Prof. Dr. Thürbach: Gemeinsam mit KölnBusiness bieten die Hoch-schulen interessante Formate wie den Investors Evening, die Cologne Masterclass, »Fit for Invest«-Booster-Module und Netzwerkveranstaltungen mit Gründerinnen und Gründern sowie der Investorenszene an. Was können wir gemeinsam unternehmen, um Köln als Start-up-Region attraktiver zu machen?
OB Reker:
Es ist absolut richtig, was Sie sagen: Der Schlüssel liegt in der Zusammenarbeit. Köln bietet Gründerinnen und Gründern eine Vielzahl von Formaten und Initiativen, die sie auf ihrem Weg zum eigenen Unternehmen unterstützen. In Gemeinschaftsformaten wie der Cologne Masterclass oder dem »Fit for Invest«-Booster-Modulen bündeln KölnBusiness und die Kölner Hochschulen ihre Kompetenzen, um Start-ups mit passgenauen Services zu unterstützen. Wie bereits erwähnt, ist diese Begleitung – gerade in der unternehmerischen Frühphase – von elementarer Bedeutung. Von daher ist es absolut wünschenswert, dass die vielen Institutionen am Standort auch in Zukunft weiter zusammenarbeiten, um das Ökosystem zu fördern.

Prof. Dr. Prokop: Sie sind eine erfolgreiche Politikerin. Hat Politik etwas mit Unternehmertum gemeinsam? Sind Sie in diesem Sinne eine Unternehmerin im politischen Bereich? Was können junge Gründerinnen und Gründer von Ihnen lernen?
OB Reker:
Als von den Kölnerinnen und Kölnern direkt gewählte Oberbürgermeisterin bin ich oberste Repräsentantin der Stadt und Leiterin der Verwaltung. In dieser Funktion habe ich Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von Entscheidungskompetenzen und Handlungsspielräumen, natürlich stets innerhalb der Grenzen der Kommunalverfassung. Das bedeutet: Bei verschiedenen kommunalen Aufgaben gibt es unterschiedliche Handlungsspielräume und damit unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten. Und na-
türlich gibt es eine Abhängigkeit zur Finanzsituation. Wie alle Städte steht auch Köln vor fünf zentralen Herausforderungen: der ökonomischen, demografischen, sozialen, kulturellen und internationalen Her-
ausforderung. Um auf Ihre Frage zu kommen: Die Bandbreite meiner Aufgaben, die auch etliche Pflichtaufgaben beinhalten, wird sich in keinem Unternehmen finden. Andererseits sage ich häufig selbst, dass ich ein großes Unternehmen leite. Immerhin sind ca. 22.000 Mitarbeitende in der Stadtverwaltung beschäftigt. Wie jedes Unternehmen verfolge ich bestimmte Ziele, jedoch im Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Unternehmen nicht das der Gewinnmaximierung. Mein Fokus liegt auf der Schaffung bester Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, der Sicherung der Daseinsvorsorge der Kölnerinnen und Kölner sowie der Gestaltung aller notwendigen Maßnahmen für eine klimagerechte Zukunft. Wie ein Unternehmen muss ich Ausgaben- und Einnahmenseite im Blick halten. Um diese Ziele zu erreichen, bleibe ich neugierig, konfrontationsfreudig und unverzagt.

Prof. Dr. Thürbach: Frauen gründen seltener als Männer. An den Hochschulen möchten wir junge Gründerinnen besonders unterstützen und das Thema „Female Entrepreneurship“ fördern. Unser Ziel ist es, mehr weibliche Gründungen in Deutschland voranzubringen. Was können Sie als erfolgreiche Frau und „Role Model“ angehenden Gründerinnen raten?
OB Reker:
Da bin ich voll bei Ihnen. Nur rund 20 Prozent der Start-ups in Deutschland werden von Frauen gegründet. Das ist deutlich zu wenig. Hier verschenken wir – auch in Köln – viel zu viel Potenzial. Es ist für mich eine besondere Herzensangelegenheit, gerade Frauen den Rücken zu stärken und sie in ihrem Wunsch, Gründerin zu sein, zu unterstützen. Wir brauchen für diese Frauen bessere Förderprogramme und mehr Vorbilder. Es ist wichtig, Sichtbarkeit zu schaffen und starke Frauen in die erste Reihe zu stellen.

Prof. Dr. Prokop: Wir Hochschulen forschen in unterschiedlichen Feldern mit Bezug zu den sogenannten „Great Challenges“: soziale Innovation, Nachhaltigkeit, Klimawandel und neue Technologien wie zum Beispiel Künstliche Intelligenz. Mit Bezug zu den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen arbeiten die Hochschulen zusammen mit der Stadt und anderen Akteurinnen und Akteuren unter dem Stichwort „Impact.Cologne“ an Themen wie Green Tech, nachhaltiges Wirtschaften und Impact Investing. Welche Rolle kann Köln in diesen Bereichen künftig spielen?
OB Reker:
Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind eine Gemeinschaftsaufgabe. Von der Forschung über Start-ups und etablierte Unternehmen bis hin zur Verwaltung arbeiten in Köln verschiedenste Partnerinnen und Partner  Hand in Hand an klimafreundlichen Lösungen, die bereits jetzt zum Teil weit über die Stadtgrenzen hinaus zum Einsatz kommen. Unser selbstgestecktes Ziel als Stadt: Bis 2035 soll Köln klimaneutral sein. Initiativen wie Impact.Cologne leisten dazu einen wichtigen Beitrag. Als zentrale Anlaufstelle für Unternehmen, Start-ups und Gründungsinteressierte unterstützt die Initiative die Kölner Wirtschaft dabei, nachhaltige Geschäftsmodelle zu entwickeln und klimagerecht zu wachsen. Gerade für Unternehmen, die in diesem Bereich noch nicht aktiv sind, ist das ein wichtiger Ankerpunkt.

Prof. Dr. Thürbach: Bitte ver-vollständigen Sie zum Abschluss den folgenden Satz: In 11 Jahren haben die Kölner Hochschulen unter ihrer gemeinsamen Marke „Gateway“ zusammen mit der Stadt Köln …
OB Reker:
… unsere Metropole als einen der führenden Start-up-Hotspots in Europa etabliert.

Dezember 2022

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