Medienrecht trifft Medienwirtschaft - Der Digital Services Act in den Medienbranchen
Am 15.11.2024 wurde der Masterstudiengang Medienrecht und Medienwirtschaft mit einer Veranstaltung zur neuen Verordnung zur Regulierung digitaler Dienste, dem Digital Services Act (DSA), eröffnet. Zu Gast war unter anderen Tim Harlinghausen, der mit seiner Behörde für die Aufsicht über die Einhaltung des DSA in Deutschland zuständig ist.
27.11.2024
Von Moritz Köhler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der TH Köln.
Aus dem Umfeld des designierten US-Präsidenten Donald Trump werden vermehrt kritische Stimmen zu den Digitalrechtsakten der Europäischen Union (EU) laut. Bereits im Wahlkampf hatte Trumps Vizekandidat J.D. Vance gefordert, die Unterstützung der Nato durch die USA davon abhängig zu machen, dass die Plattform X von Elon Musk von der EU nicht reguliert wird. Der viel besprochene „Brüssel-Effekt“, der die Auswirkungen europäischer Regulierung auf globale rechtliche Standards beschreibt, scheint also auch vom DSA auszugehen. Doch was bedeutet der DSA in der Praxis für die Medienbranchen in Deutschland? Mit dieser Frage haben sich ausgewählte Expertinnen und Experten am 15.11.2024 im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung des Masterstudiengangs Medienrecht und Medienwirtschaft der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der Technischen Hochschule (TH) Köln beschäftigt.
Prof. Dr. Rolf Schwartmann, Leiter der Forschungsstelle, eröffnete die Veranstaltung im Mevissensaal der TH in entspannter Atmosphäre. In seinem anschließenden Grußwort an die Studierenden lobte Prof. Dr. Erich Hölter, Dekan der Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, den Studiengang und die publikationsintensive Arbeit der Forschungsstelle. Letztere stelle sicher, dass die Studierenden stets mit Beiträgen zu drängenden Rechtsfragen versorgt sind. Die Besucher der Eröffnungsveranstaltung erhielten sodann auch gleich eine von Schwartmann herausgegebene Gesetzessammlung zu DSA und Digital Markets Act (DMA), um eine aktive Mitarbeit und eine Vertiefung zu ermöglichen.
Zu Beginn des inhaltlichen Teils der Eröffnungsveranstaltung gab Tim Harlinghausen einen Impuls zu den Aufgaben des Digital Services Coordinators (DSC). Harlinghausen ist Teamleiter innerhalb der Koordinierungsstelle für Digitale Dienste bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) in Bonn. Die Koordinierungsstelle übernimmt in Deutschland die Aufgaben des DSC und ist deshalb für die Aufsicht über die Einhaltung der Vorgaben des DSA zu Hosting-Diensten und Online-Plattformen zuständig. Harlinghausen erläuterte, dass der europäische Gesetzgeber mit dem DSA ein sicheres, vorhersehbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld schaffen will. Ein zentrales Anliegen sei dabei die Stärkung der Rechte und Handlungsmöglichkeiten der Nutzer gegen rechtswidrige Inhalte und illegale Produkte im Internet. Sehr große Plattformen und Suchmaschinen mit mehr als 45 Millionen Nutzern pro Monat in der EU beaufsichtigt die EU-Kommission selbst. Kleinere Plattformen liegen dagegen in der Zuständigkeit der nationalen Digital Services Coordinator. Er fungiert als zentrale Beschwerdestelle für Nutzer, die geltend machen, dass eine Plattform nicht entsprechend den Vorgaben des DSA gegen illegale Inhalte vorgeht. Außerdem unterstützt der DSC die EU-Kommission bei Ermittlungen gegen sehr große Plattformen und Suchmaschinen. Harlinghausen betonte die Bedeutung einer umfassenden Information der Bevölkerung über ihre Möglichkeiten nach dem DSA. Der DSC könne nicht selbst gegen illegale Inhalte vorgehen, sondern nur sicherstellen, dass die Online-Plattformen beispielsweise über Meldeverfahren verfügen, die den Vorgaben des DSA entsprechen. Umso wichtiger sei es, dass Nutzer auf diese Meldeverfahren zurückgreifen, um illegale Inhalte von den Plattformen zu entfernen.
Im Anschluss an Harlinghausens Impulsvortrag erläuterten Dr. Carsten Föhlisch, VP Legal Services bei Trusted Shops, Dr. Christina Oelke, stellvertretende Justiziarin bei VAUNET Verband privater Medien e.V., Michael Terhörst, Leiter der Stelle zur Durchsetzung von Kinderrechten in digitalen Diensten (KidD) bei der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) sowie Anja Hartmann, Leiterin des Referats Digitale Dienste und Messengerdienste bei der Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) unter der Moderation des stellvertretenden Studiengangsleiters, Prof. Dr. Christian-Henner Hentsch, die Auswirkungen des DSA auf ihre Behörden und Unternehmen.
In der ersten von drei Diskussionsrunden gingen die Teilnehmer der Podiumsdiskussion zunächst der Frage nach, was der DSA für die einzelnen Bereiche konkret bedeutet. Oelke erinnerte sich, dass sie bei der Vorstellung des Kommissionsentwurfs im Jahr 2020 zunächst nicht davon ausging, dass der neue Rechtsakt große Auswirkungen auf die privaten Medienunternehmen haben würde, die im VAUNET organisiert sind. Nach und nach stellte sich aber heraus, dass sich etwa auch TV-Sender regelmäßig als Anbieter von Online-Plattformen betätigen. Als Beispiel nannte Oelke etwa das Angebot chefkoch.de der Gruner+Jahr Deutschland GmbH, das seit 2022 vollständig zur RTL Deutschland GmbH gehört. Der breite Anwendungsbereich und die daraus folgende Bedeutung des DSA in den Medienbranchen zeigte sich auch in den Ausführungen Föhlischs: Auf Trusted Shops können zwar keine Absatzverträge geschlossen werden, weswegen es sich bei dem Angebot nicht um einen Online-Marktplatz handle. Trotzdem spielt das vom DSA geforderte Beschwerdemanagementsystem eine große Rolle in Föhlischs Beratungstätigkeit gegenüber Händlern.
In einer zweiten Runde fragte Hentsch die Diskussionsteilnehmer, was für die Adressaten des DSA nun konkret zu erledigen sei. Neben einer klassischen Compliance-Prüfung, auf die Oelke verwies, müssen sich Unternehmen laut Terhörst nun mit der Frage beschäftigen, was geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen sind, mit denen die Diensteanbieter gemäß Art. 28 Abs. 1 DSA für ein hohes Maß an Privatsphäre, Sicherheit und Schutz von Minderjährigen innerhalb ihres Dienstes sorgen müssen. Bei der Entwicklung entsprechender Maßnahmen wie beispielsweise einer Altersprüfung arbeitet die BzKJ eng mit der BfDI zusammen. Die Ansichten der Behörden stehen sich dabei eigentlich entgegen: Aus Datenschutzperspektive soll das Internet insbesondere von Kindern und Jugendlichen möglichst anonym, zumindest aber pseudonym genutzt werden können. Aus Sicht der BzKJ stellt sich dann allerdings die Frage, ein Kind geschützt werden kann, wenn man nicht weiß, dass ein Kind den Dienst nutzt. Trotz dieser scheinbar unauflösbaren Differenzen haben BfDI und BzKJ jüngst ein gemeinsames Positionspapier zu der Frage veröffentlicht.
In der abschließenden dritten Diskussionsrunde sollten die Teilnehmer den DSA bewerten. Überwiegend fiel diese Bewertung gut aus: So betonte Terhörst, dass es befriedigend sei, nach der langen Zeit der Vorbereitung endlich mit der Beratung und Anwendung der entwickelten Prozessstrukturen starten zu können. Kritik wurde lediglich an der Integration des DSA in das bestehende und in der Entstehung befindliche Recht der EU geäußert: So seien die Konkurrenzen bei einem Verstoß gegen DSA und DS-GVO ebenso unklar wie die Bedeutung einiger Begriffe, die in beiden Verordnungen eine zentrale Rolle spielen.
Zum Ende der Veranstaltung verlieh Prof. Dr. Stefan Sporn, Vorsitzender des Beirats der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht, den Preis des Beirats für die beste Absolventin des aktuellen Abschlussjahrgangs. Überreichen konnte Sporn den Preis nicht, da sich die diesjährige Preisträgerin, Anita Janzen, während der Veranstaltung auf Reisen befand. Sie meldete sich aber mit einer Videobotschaft aus Shanghai, in der sie sich bei den Betreuern ihrer Masterarbeit, Hentsch und Sporn, bedankte und den anwesenden Erstsemestern viel Erfolg und viel Spaß für ihr Masterstudium wünschte. In ihrer Masterarbeit hatte sich Janzen mit der urheberrechtlichen Zulässigkeit von Memes beschäftigt.
Medienrecht trifft Medienwirtschaft - Der Digital Services Act in den Medienbranchen
November 2024