Perspektiven aus dem 16. Kinder- und Jugendbericht
Als Mitglied der Sachverständigenkommission des 16. Kinder- und Jugendbericht stellte Hanna Lorenzen in ihrer Session die Perspektiven – mit dem Schwerpunkt Abgrenzungen überwinden und Vernetzung stärken – des aktuellen Berichts vor. Sie sprach über dessen Inhalte und nahm dabei kursorisch Bezug auf die förderpolitische Grundlage des Berichts und die Begriffsklärung politischer Bildung sowie auf die im Bericht ausgeführten Handlungsempfehlungen.
In der Annahme, die politische Jugendbildung beschäftigt sich mit der Frage, wie Demokratie oder Politik als Bildungsgegenstand umgesetzt werden kann, stellte sich für Lorenzen heraus, dass es für die Praxis an notwendigen Reflexionsräumen, die sich mit analytischen Fragen beschäftigen, fehlte. Im Zuge dessen werden im 16. Kinder- und Jugendbericht drei zentrale Analyseschwerpunkte gesetzt, die in den unterschiedlichsten Arbeitskontexten bzw. Sozialräumen als Reflexionsinstrument eingesetzt werden können.
Als Pendant der vorangegangenen Vorträge von Moritz Schwerthelm und Helle Becker thematisierte und vertiefte Hanna Lorenzen in ihrer Session die Relevanz von Jugendarbeit/ Jugendbildung als ein vielgestaltiges Arbeitsfeld und eine vielfältige Praxis non-formaler politischer Bildung. Entgegengesetzt nicht belegter Narrative und Annahmen, dass politische Bildung nur für bildungsaffine Gymnasiast*innen angeboten wird, kommt Lorenzen zum Schluss, dass Angebote politischer Bildung über die jeweiligen Settings, in denen sich die Kinder und Jugendlichen aufhalten, angesprochen und erreicht werden können. Die Berichtskommission stellt hierfür fünf modelhafte Schritte für eine erfolgreiche Bildungspraxis vor:
1. Orientierung an den Interessen und Erfahrungen Jugendlicher.
2. Herausarbeiten der gesellschaftspolitischen Relevanz dieser Interessen und Erfahrungen.
3. Analyse und Möglichkeiten zum Wissenserwerb.
4. Urteilsbildung: Informationen werden zu den verhandelten Fragen gesammelt, unterschiedliche Perspektiven auf diese Fragen ermöglicht, mit subjektiven Deutungen konfrontiert sowie eigene Positionen reflexiv (weiter)entwickelt.
5. Handlungsorientierung: Jugendliche setzen sich damit auseinander, wo ihre Fragen in den jeweiligen demokratischen Bezugssystemen und Institutionengefügen verhandelt werden und wo es für sie Möglichkeiten der Mitbestimmung und Einflussnahme gibt.
Weiterhin beinhaltet der Bericht folgende Kernbotschaften und Empfehlungen:
- Politische Bildung und Partizipation gehören zusammen. Politische Bildung ist mehr als Partizipation.
- Politische Bildung braucht ein weites Politikverständnis.
- Politische Bildung muss integraler Bestandteil von Jugendpolitik sein.
- Politische Jugendbildung findet in allen Handlungsfeldern von Jugendarbeit statt – wir brauchen einen Austausch darüber.
- Fehlende Forschung: Wir brauchen praxisorientierte Forschung und Lehrstühle für politische Bildung.
Zum Abschluss der Session wurde der 16. Kinder- und Jugendbericht rückblickend auf die neuesten Tendenzen hin betrachtet. Hierbei ergaben sich seit der Veröffentlichung neben einer Stellungnahme der Bundesregierung folgende Entwicklungen:
Stellungnahme der Bundesregierung:
- Politische Bildung darf mit einem Verweis auf ein falsch verstandenes Neutralitätsgebot nicht in Frage gestellt werden.
- Forderung nach weiteren Studien zu politischer Bildung, denn aktuelle durch den Bund geförderte Studien (z.B. DJI) zur politischen Bildung beziehen sich vorranging auf Projekte der Extremismusprävention.
Weitere allgemeine Entwicklungen:
- Breite Diskussion in die Kinder- und Jugendhilfe und der Wissenschaft (v.a. gemeinsame Fachtage und Konferenzen)
- Forderung: Den Bericht auf Landesebene mit schulischen Akteur*innen zu diskutieren
Zur Person
Hanna Lorenzen ist Bundestutorin für politische Jugendbildung und stellv. Generalsekretärin der Ev. Akademien in Deutschland. Ihre Fachgebiete sind europabezogene Bildung und Jugendbeteiligung und demokratische Mitwirkung. Hanna Lorenzen sitzt in der Sachverständigenkommission des 16. Kinder- und Jugendberichts. Thematisiert wird der 16. Kinder- und Jugendbericht mit dem Schwerpunkt der Förderung politischer Bildung im Kindes- und Jugendalter, worin Hanna Lorenzen ihre Perspektive auf die außerschulische Jugendbildung und auf die Praxis dargestellt und diskutiert hat.