Kinder in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit.
Bilder der Kindheit, das Politische und politische Solidarität
Der 16. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung (2020) hat das Thema der politischen Bildung für Kinder und Jugendliche und die zugeordneten Institutionen als relevant markiert. „In diesem Sinne wird politische Bildung nicht allein im Sinne einseitiger Vermittlungsprozesse von Wissen, Kompetenzen und Werten verstanden, sondern immer auch als Aneignungsprozess politischer Selbstbildung.“ (ebd., S. 49). Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Aktivitäten von Offener Kinder- und Jugendarbeit wird unter anderem auch aufgrund ihrer bekannten Strukturcharakteristika der Offenheit, Freiwilligkeit, Alltäglichkeit, Lebensweltnähe sowie durch die sozialräumlichen Ansätze, als gelingendes Feld für Ansätze politischer Bildung eingeordnet. In diesem Zusammenhang lassen sich direkt Ansätze der Vermittlung von demokratischen Prozessen oder Verfahren und Programme wie ‘Demokratie lernen!’ in Anklang bringen. Christian Tollning (Pavillion Köln-Kalk e.V.) und Nils Wenzler (TH Köln) stellten darüber hinaus den Anwesenden eine Perspektive kritischer politischer Bildung vor, in der sie den Blick weg von tradierten Bildern des Aufwachsens (entwicklungspsychologische Ansätze, Scholarisierung, Institutionalisierung sowie Familialisierung), insbesondere von Kindern in Institutionen und von Kindheit als gesellschaftlicher Konstruktion, hinzu zu einem Verständnis von Kindern als eigensinnige Akteure des Aufwachsens und Co-Produzierende lenkten. Die Institutionen und Zwischenräume des Aufwachsens sind maßgeblich und übernehmen in ihrer je eigenen Funktion gesellschaftlich relevante und wichtige Funktionen. Teilweise verhindern diese aber die eigensinnige Entwicklung und agieren eher protegierend. Kinder werden immer im Verhältnis zu etwas Anderem betrachtet und damit einhergehend eher als Objekte verstanden. Wenzler und Tollning verweisen darauf, dass Kinder auch als Agents verstanden werden müssen (Begriff der Agency), welche aktiv an der Gestaltung der Umwelt mitwirken. Mit Blick auf das Tagungsthema bietet sich für die Offene Kinder- und Jugendarbeit eine Perspektive kritischer politischer Bildung an, in der die Aufgabe Offener Kinder- und Jugendarbeit derart verstanden werden kann, dass sich in diesem Setting Räume eröffnen lassen, die unter bestimmten Bedingungen bedeutsame Erfahrungen im Hinblick auf Urteils-, Kritik-, Handlungsfähigkeit der Adressat*innen möglich machen. Diese Erfahrungen junger Menschen können in einem derart arrangierten Setting auch zur Destabilisierung von bestehenden Ordnungen in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit führen. Politische Bildung kann dementsprechend auch symbolische und materielle Ordnungen sowie etablierte, institutionalisierte Regeln und Verfahrensweisen hinterfragen und diese “brechen”. Politischer Bildung in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit geht es um kollektive Aktivitäten im Hinblick auf die gemeinsame Welt. Die Aufgabe kritischer politischer Bildung im Speziellen liegt darin zu ermöglichen, dass „Subjekte die Macht- und Herrschaftsverhältnisse begreifen, in die sie eingebunden sind. Sie sollen Handlungsmöglichkeiten entwickeln können, diese Verhältnisse zu gestalten und zu verändern“ (Lösch/Thimmel 2010, S. 8). Als Operationalisierung lassen sich folgende fachliche Charakteristika und Bezugspunkte festhalten: Miteinander Sprechen und Handeln, kollektive Aktivitäten, gemeinsame Welt, öffentlicher Raum, Subjektorientierung, Transformation der Selbst- und Weltverhältnisse. Das Verständnis von Politischer Bildung wurde abschließend als ein Tun unter konkreten Bedingungen und in konkreten gesellschaftlichen Verhältnissen festgehalten. Aus dieser Session haben Christan Tollning und Nils Wenzler den Beitrag „Kinder in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Bilder der Kindheit, das Politische und politische Solidarität“ für die Fachzeitschrift: “Forum- für Kinder- und Jugendarbeit” erarbeitet. Der Beitrag geht dezidierter auf den Theorievorschlag der transformatorischen Solidarität ein.
Zur Person
Christian Tollning ist Sozialarbeiter und arbeitet beim Pavillon e.V. (Köln) der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Nils Wenzler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsschwerpunkt Nonformale Bildung der Technischen Hochschule Köln.