Selbstregulierung als win-win-Lösung: Die neue Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII)

TH_20220912_medienrecht_19min-840x430.jpg (Bild: TH-Köln)

Am 11. März 2021 hat die CUII – Clearingstelle Urheberrecht im Internet die erste DNS-Sperre einer strukturell urheberrechtsverletzenden Internetseite im Rahmen der Selbstregulierung bekannt gegeben.

28.04.2021

Professor Dr. Christian-Henner Hentsch M.A., LL.M.; Professor für Urheber- und Medienrecht an der TH Köln

Am 11. März 2021 hat die CUII – Clearingstelle Urheberrecht im Internet die erste DNS-Sperre einer strukturell urheberrechtsverletzenden Internetseite im Rahmen der Selbstregulierung bekannt gegeben. Bei der CUII handelt es sich um eine gemeinsame Geschäftsstelle der Rechteinhaber und der Internetzugangsanbieter (ISPs), die einen unabhängigen Prüfausschuss unter dem Vorsitz ehemaliger BGH-Richter des 1. Zivilsenats koordiniert. Sofern der Prüfausschuss entlang der bisherigen Rechtsprechung des EuGH, des BGH und weiterer instanzgerichtlichen Urteile einstimmig die DNS-Sperre empfiehlt, leitet die CUII diese auf einer zweiten Stufe zur Prüfung an die Bundesnetzagentur (BNetzA) weiter. Alle Anträge werden von der BNetzA unter den Maßgaben der EU-Verordnung zur Netzneutralität geprüft. Findet dort keine Beanstandung statt, wird die Sperre von den teilnehmenden ISPs umgesetzt. Diese Selbstregulierung hat für alle Beteiligten erhebliche Vorteile und stellt daher eine win-win-Lösung dar.

Vorteile für die Rechteinhaber

Für die Rechteinhaber bedeutet dieses Verfahren eine erhebliche Beschleunigung. Zwar waren auch bislang DNS-Sperren möglich, allerdings musste dafür für jede einzelne Seite jeder einzelne ISP verklagt werden. Dies hat Zeit und vor allem auch Geld gekostet und hat darüber hinaus auch die Gerichte zunehmend belastet. Inhaltlich ändert sich mit der CUII grundsätzlich nichts, weil nach dem Verfahren auch weiterhin die gleichen Voraussetzungen wie in einem gerichtlichen Verfahren erfüllt sein müssen. Insbesondere besteht auch hier regelmäßig eine Pflicht zur vorrangigen Inanspruchnahme der anderen verletzungsnäheren Beteiligten. Allerdings dauert es von der Antragstellung bis zur Implementierung in der Regel nur wenige Wochen und es ist nur ein Verfahren für alle ISPs erforderlich. Zudem können weitere Domains derselben strukturell urheberrechtsverletzenden Seite und so genannte Mirror-Sites, die also inhaltsgleich sind und die Inhalte lediglich kopieren, im beschleunigten Verfahren gesperrt werden. Auch wenn die DNS-Sperre umgangen werden kann, wird diese Beschleunigung nicht nur zu weniger Traffic auf den einschlägigen Seiten führen, sondern auch Mehrausgaben für den Domainwechsel und die Werbung auslösen. Wie DNS-Sperren in anderen europäischen Staaten bereits zeigen, wird dies dazu beitragen, dass der Betrieb solcher Seiten künftig vielfach nicht mehr rentabel ist und daher zumindest teilweise eingestellt wird.

Vorteile für die ISPs

Für die ISPs bringt die CUII vor allem Rechtssicherheit. Auch wenn ISPs für DNS-Sperren nach EU-Recht keine Gerichtsentscheidung brauchen, ließen sich viele ISPs wegen der EU-Verordnung zur Netzneutralität regelmäßig erst verklagen bzw. abmahnen, bevor sie – auch bei ganz klar strukturell urheberrechtsverletzenden Internetseiten – einem Sperrverlangen eines Rechteinhabers nachkamen. Weil sie aber mit zunehmender Festigung der Rechtsprechung immer mehr Verfahren verloren haben und entsprechend auch die Kosten tragen mussten, sind die ISPs hier in eine sehr teure Zwickmühle geraten. Die Vereinbarung mit den Rechteinhabern sieht nun vor, dass sie erst verklagt werden dürfen, wenn ein Verfahren bei der CUII durchlaufen wurde. Und die unabhängige Sperrempfehlung der CUII ermöglicht ihnen nach einer Prüfung durch die BNetzA auch eine rechtssichere Sperre. Zudem gewährleistet die erfolgte Prüfung und Freigabe durch das Bundeskartellamt, dass sich alle Wettbewerber gleichermaßen an diese Empfehlung halten müssen und damit kein „Vorsprung durch Rechtsbruch“ möglich ist.

Vorteile für die Verbraucher

Für Verbraucherinnen und Verbraucher schafft die CUII Klarheit. Möglicherweise sind manche strukturell urheberrechtsverletzende Internetseiten so gestaltet, dass es für viele Nutzerinnen und Nutzern nicht offensichtlich ist, ob das Angebot legal ist oder nicht. Dies ist insoweit von Relevanz, weil sie bei offensichtlich rechtswidrigen Downloads und auch bei Streaming haften können. Der Sperrhinweis der CUII und auch die Veröffentlichung der Sperrempfehlungen auf der CUII-Website machen nun mehr als deutlich, welche Angebote rechtswidrig sind und sind insoweit auch als Service für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu verstehen. Gegen die Sperrempfehlungen können Beschwerden vorgebracht werden und auch eine weitere Einbeziehung von Verbraucherschutzorganisationen könnte sinnvoll sein. Unbelehrbare Nutzerinnen und Nutzer werden Wege finden, die DNS-Sperre zu umgehen. Dies zeigt aber auch, dass der Eingriff in die Informationsfreiheit auch deswegen angemessen ist, weil die Sperre im Einzelfall den Zugang nur erschwert und nicht verhindert.

Vorteile für die Politik

Für die Politik schafft die Selbstregulierung Rechtsfrieden. Schon seit Jahren werden DNS-Sperren politisch diskutiert und alle staatlichen Anläufe sind bis heute erfolglos geblieben. Die Gesetzgeber haben sich mit diesem unpopulären Thema schwer getan, auch wenn das EU-Recht und die Gerichte die Seitensperren als legitimes Instrument zur Rechtsdurchsetzung anerkannt haben. Art. 8 Abs. 3 der InfoSoc-RL verpflichtet explizit alle Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Rechteinhaber DNS-Sperren zum Schutz vor strukturell urheberrechtsverletzenden Internetseiten beantragen können. Mit der Clearingstelle ist nun eine Selbstregulierung entstanden, die ohne die Beteiligung der Politik pragmatisch interessengerechte Lösungen unter Beachtung der bisherigen Standards der Rechtsprechung, der EU-Verordnung zur Netzneutralität und des Kartellrechts schafft. Nun sollte die Politik diesem neuen effektiven und transparenten Ansatz auch die erforderliche Zeit geben, sich zu bewähren und zu beweisen, dass Initiativen der Kreativwirtschaft und der Telekommunikationsunternehmen gerechte Interessenabwägungen vornehmen können. Vielleicht wäre die CUII ja auch ein Modell für Selbstregulierungen in anderen Regulierungsbereichen?

Der Verfasser ist als Vertreter des game Mitglied im Steuerungskreis der CUII. Den Beitrag veröffentlicht er als Wissenschaftler und spricht hier ausdrücklich nicht für den Steuerungskreis.

April 2021


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