Musik und Lizenzgeschäft

Dr-florian-Druecke-c-BVMI_markus-nass-840x430.jpg (Bild: Markus Nass)

Musik ist einerseits Ausdruck künstlerischen Schaffens und andererseits auch ein Wirtschaftsgut. In den letzten 20 Jahren haben sich durch die Digitalisierung die Produktion, die Distribution und natürlich der Konsum von Musik komplett verändert.

26.10.2023

Dr. Florian Drücke, Chairman & CEO Bundesverband Musikindustrie e.V. (BVMI)

Die Branche hat den massiven Absturz um die Jahrtausendwende durch die Umarmung der digitalen Disruption gemeistert und sich an vielen Stellen neu erfunden. Trotz der Unkenrufe und der massenhaften Rechtsverletzungen online. Rechtssicherheit stellt gerade im Bereich des Handels mit Lizenzrechten im digitalen Raum ein wesentliches Element für ein erfolgreiches Wirtschaften dar, weshalb durch verschiedene Akteure, so auch durch den BVMI, teilweise über mehrere Jahre andauernde Verfahren zur Klärung zahlreicher Rechtsfragen geführt werden. In einem dynamischen Umfeld stellen uns vor allem neue Player und neue technologische Ansätze vor neue Fragen und Herausforderungen, von A wie Abmahnung über H wie Haftung bis Z wie zivilrechtlicher Auskunftsanspruch. Auf zwei spannende aktuelle Rechtsverfahren soll an dieser Stelle etwas näher eingegangen werden.

Sampling – Metall auf Metall

Dieses Verfahren beschäftigt die Gerichte seit rund 20 Jahren. Inhaltlich geht es um die Frage, ob das Sampling von zwei Takten einer Rhythmussequenz ohne Erlaubnis und ohne Erwerb der entsprechenden Lizenz des Rechteinhabers eine Verletzung des Tonträgerherstellerrechts darstellt. In seinem Urteil vom 28. April 2022 hat das OLG Hamburg nun eine Unterscheidung in drei Zeiträume vorgenommen. Vor dem 22. Dezember 2002 war das Sample danach als „freie Benutzung“ nach § 24 Absatz 1 UrhG a.F. analog erlaubt. Ab diesem Zeitpunkt und bis zum 7. Juni 2021 (also über 18 Jahre!) liegt eine Urheberrechtsverletzung vor, da durch Einführung der sog. InfoSoc-Richtlinie die Einrede der freien Benutzung nicht mehr zur Verfügung steht. Ab der Urheberrechtsreform, beginnend am 7. Juni 2021, greift sodann die Pastiche-Schranke des § 51a UrhG. Da jedoch nicht abschließend geklärt ist, was unter einem „Pastiche“ zu verstehen ist, wurde die Revision zum BGH zugelassen. Der BGH hat jüngst mit Beschluss vom 14. September 2023 dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Klärung des urheberrechtlichen Begriffs des Pastiche vorgelegt.  Diese Einordnung kann für die Branche große Konsequenzen haben, da ein Pastiche die Nutzung von Werken ohne Erlaubnis des Rechteinhabers und damit ohne entsprechende Lizenzierung ermöglicht.

KI – LAION-Verfahren

Völliges tatsächliches und auch juristisches Neuland wird im Bereich sog. generativer KI betreten und der damit verbundenen Frage, ob und in welchem Umfang eine lizenzfreie Nutzung von urheberrechtlichen geschützten Daten zum Training von KI-Systemen erlaubt ist. Durch den Einsatz solcher generativer KI können Maschinen aus vorhandenen Dateien, wie Texten, Bildern und Audiodateien, neue Inhalte erstellen. In einem aktuellen Rechtsstreit, der von vielen ganz unterschiedlichen Rechteinhabern mit entsprechend großem Interesse verfolgt wird, wurde am 27. April 2023 Klage am LG Hamburg gegen LAION e.V. eingereicht, der unter anderem auch den Datensatz „LAION-5B“ zum Training von KI-Bildgeneratoren anbietet. Der Datensatz soll eine urheberrechtlich geschützte Bilddatei des klagenden Stockfotografen enthalten. LAION argumentiert, es liege kein Urheberrechtsverstoß vor, da die Vervielfältigungshandlung nur von vorübergehender Dauer sei und deshalb unter die Schrankenregelungen des § 44b UrhG und § 60d UrhG falle, die Ausnahmen für Text- and Data-Mining vorsehen. Ob die Text- und Data-Mining-Schranke bei generativer KI überhaupt Anwendung findet und falls ja, in welchem Umfang, ist umstritten und insofern gerichtlich zu klären. Der Termin zur mündlichen Verhandlung soll am 25. April 2024 stattfinden. Unabhängig von diesem Verfahren wird aktuell auf europäischer Ebene der sog. AI Act (KI-Verordnung) diskutiert.  Die Kultur- und Kreativwirtschaft drängt in diesem Umfeld auf eine Transparenz- und Dokumentationspflicht für KI-Betreiber und Anwender. Nach dem AI Act wird es spannend, wie sich die Diskussion über notwendige Änderungen zum Schutz des Urheberrechts bzw. des Persönlichkeitsrechts weiterentwickeln wird.

Oktober 2023


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