Bericht: Eröffnungsveranstaltung – Möglichkeiten, Realität und rechtliche Herausforderun

Durch den verstärkten Einsatz von KI in allen Lebensbereichen stellen sich eine Vielzahl ethischer aber vor allem rechtlicher Fragen, die angesichts des schnellen Fortschritts bei der Anwendung dieser revolutionären Technologie einer dringenden Klärung bedürfen.

14.11.2023

Moritz Köhler, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der TH Köln.

Die Medienbranche befindet sich im Umbruch. Künstliche Intelligenz (KI) hält Einzug in Redaktionen, Verlage und Tonstudios. Die Anwendungsszenarien sind mannigfaltig und beschränken sich, anders als man in der öffentlichen Wahrnehmung bisweilen annehmen könnte, nicht auf generative Systeme wie ChatGPT: KI unterstützt Medienschaffende auf allen Stufen der Wertschöpfungskette, sei es bei der Ideenfindung, der Produktion von Inhalten oder bei deren Vermarktung und Distribution. Der Einsatz der Technologie senkt die Kosten für Medienhäuser und schafft Ressourcen, wodurch bei gleicher finanzieller Last eine größere mediale Vielfalt erreicht und damit ein größeres Publikum angesprochen werden kann. Auf der anderen Seite sind die Auswirkungen des Einsatzes von KI in der Medienbranche bislang kaum abzusehen. Gelingt die verantwortungsvolle Integration der KI-Systeme nicht, droht zahllosen Unternehmen und Medienschaffenden der wirtschaftliche Ruin. Die Wirkmechanismen der Technologie lassen darüber hinaus eine zunehmende Desinformation und Blasenbildung in der Bevölkerung befürchten. Es stellt sich also eine Vielzahl ethischer und rechtlicher Fragen, die angesichts des schnellen Fortschritts einer dringenden Klärung bedürfen. Im Rahmen der diesjährigen Veranstaltung zur Eröffnung des neuen Studienjahres im Masterstudiengang Medienrecht und Medienwirtschaft hat die Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der TH Köln daher am vergangenen Donnerstag, den 9. November 2023 Praktizierende aus verschiedenen Bereichen der Medienbranche zur Diskussion über die Möglichkeiten, die Realität und die rechtlichen Herausforderungen des Einsatzes Künstlicher Intelligenz eingeladen.

Nach Grußworten von Prof. Dr. Rolf Schwartmann, dem Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht, und Prof. Dr. Stefan Herzig, dem Präsidenten der TH Köln, eröffnete Kai Zenner den inhaltlichen Teil des Abends mit einem Impulsvortrag zum aktuellen Stand der KI-Verordnung. Zenner arbeitet als Büroleiter und Digitalreferent beim Berichterstatter für die KI-Verordnung Axel Voss, MdEP. Mit der KI-Verordnung plant die EU, eine weltweite Vorreiterrolle in der KI-Regulierung einzunehmen. Unter Zugrundelegung eines risikobasierten Ansatzes soll KI-Systemen durch dieses Produkthaftungsgesetz anhand ihres Verwendungszwecks ein Gefährdungspotenzial zugewiesen werden. Dieses Gefährdungspotenzial entscheidet schließlich darüber, ob das System verboten wird, einer ausdifferenzierten Regulierung unterliegt oder weitgehend ohne spezifische KI-Regulierung eingesetzt werden darf. Wegen der laufenden Verhandlungen zur KI-Verordnung konnte Zenner nicht wie geplant in Köln vor Ort sein, sondern wurde per Videobotschaft zugeschaltet. Darin berichtete er von den stockenden Trilog-Verhandlungen zu dem EU-Rechtsakt und vom enormen Zeitdruck, unter dem alle Beteiligten stehen: Am 6. Dezember 2023 müsse eine politische Einigung erzielt sein, damit das Gesetz noch während der laufenden Legislaturperiode in Kraft treten kann. Sollte dies nicht gelingen, müssten die Verhandlungen nach der EU-Wahl im kommenden Jahr von vorne beginnen. Im Moment sei unklar, ob die Einigung rechtzeitig erreicht werden kann, so Zenner. Zu viele Fragen sind derzeit noch ungeklärt: Streit besteht insbesondere bei den konkreten Formulierungen zur Einordnung von KI-Systemen in den verbotenen oder den Hochrisiko-Bereich. Ein Konsens fehlt auch mit Blick auf die konkreten Pflichten, die Anbieter von sogenannter General Purpose AI, also KI-Systemen ohne konkreten Anwendungszweck wie beispielsweise ChatGPT oder Midjourney, erfüllen müssen. Und schließlich streiten die EU-Organe mit den Mitgliedstaaten um die Durchsetzung der KI-Verordnung: Die EU will diese möglichst zentral gestalten, um eine einheitliche Rechtsanwendung zu sichern, während die Mitgliedstaaten den Verlust nationaler Kompetenzen verhindern wollen. Der Ausgang des politischen Tauziehens bleibt abzuwarten, Klarheit wird es wohl erst am Nikolaustag geben. Seinen Vortrag am Donnerstagabend schloss Zenner mit einem Ausblick auf den anstehenden Schlusssprint und dem Versprechen, dass man auf EU-Ebene alles versuche, um noch in dieser Legislaturperiode eine ausgewogene KI-Regulierung auf den Weg zu bringen.

Auch wenn eine politische Einigung in den Trilog-Verhandlungen zur KI-Verordnung erzielt wird, werden in dem Gesetz nicht alle Fragen geklärt werden können, die beim Einsatz von KI auftreten. Zu vielfältig sind die Anwendungsszenarien, zu komplex die rechtlichen Herausforderungen: Im Anschluss an den Impulsvortrag Zenners berichteten Vertreter aus verschiedenen Bereichen der Medienbranche über die aktuellen Einsatzmöglichkeiten von KI in ihren Sparten und die urheberrechtlichen Probleme, die auch die KI-Verordnung nicht zu lösen vermag. Teilnehmer der Podiumsdiskussion waren Susanne Barwick (stellvertretende Justiziarin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels), Simone von Bentivegni (Ressorleiterin Medienrecht und Medienpolitik bei RTL), Dr. Anselm Kreuzer (Präsident des Composers Clubs), Dr. Urban Pappi (geschäftsführender Vorstand der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst) sowie Prof. Dr. Stefan Sporn (COO der Splendid Medien AG). Die Diskussion wurde moderiert von Prof. Dr. Christian-Henner Hentsch, dem stellvertretenden Leiter des Studiengangs Medienrecht und Medienwirtschaft. Die Vertreter der Medienpraxis berichteten zunächst von der Realität des KI-Einsatzes in ihren Branchen. Die Anwendungsszenarien divergierten zwar zwischen den einzelnen Sektoren, Einigkeit bestand hingegen darüber, dass KI schon jetzt eine wichtige Rolle einnimmt und der Einfluss der Technologie auf die Medienwirtschaft in den nächsten Jahren exponentiell wachsen wird. Kreuzer als Vertreter der Komponisten und Barwick als Vertreterin der Buchverlage sahen den Menschen dabei auch in Zukunft im Zentrum der schöpferischen Tätigkeit. Pappi, der in der VG Bild-Kunst auch Fotografen und Grafikdesigner vertritt, bescheinigte bildgenerierenden KI-Systemen hingegen ein hohes Disruptionspotenzial. Gerade im Bereich der Gebrauchsfotographie fürchteten viele um ihre Jobs. Disruption sah auch Sporn in der Filmsynchronisation, die sein Unternehmen anbietet: Schon jetzt sei es möglich, Dokumentarfilme in Gänze von einer KI-generierten Stimme synchronisieren zu lassen, ohne dass der durchschnittliche Zuschauer einen Unterschied hören kann. Es sei abzusehen, dass die technische Entwicklung in den kommenden Jahren dies auch für Spielfilme möglich machen wird.

Einigkeit bestand unter den Diskussionsteilnehmern darüber, dass das Urheberrecht bisher keine zufriedenstellenden Antworten auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen beim Einsatz von KI in den Medien liefert. Zu unterscheiden seien insofern zwei Themenkomplexe: zunächst die Frage, welche Rechte an vorbestehenden Werken bei der Erstellung von neuen Inhalten bzw. beim Training der KI tangiert werden (Input-Frage) und nachgelagert die Frage, ob und welche Rechte an den KI-erzeugten Inhalten entstehen und wem sie zustehen (Output-Frage). Die anwesenden Medienvertreter sprachen in erster Linie den unzureichenden Schutz menschengemachter Inhalte vor einer automatisierten Verwertung zum Training von KI-Systemen auf der Input-Seite an: Die Systeme sammelten unzählige Werke im Rahmen des sogenannten Scrapings, um beispielsweise zu lernen, wie die Grafik eines Apfels auszusehen hat. Das Urheberrecht biete den menschlichen Schöpfern der hiervon betroffenen Inhalte keinen wirksamen Schutz. Dem dafür vorgesehenen Vorbehaltsregelung im § 44b UrhG fehle die praktische Umsetzbarkeit. Die finanzielle Versorgung der Kreativbranche könne so nicht auf Dauer gesichert werden. Da aber die KI-Systeme für ihr Training auf neue kreative Werke angewiesen sind, könnten auch die Entwickler künftig unter einer fehlenden Korrektur der aktuellen Rechtslage leiden. Erforderlich sei die Möglichkeit, so der Konsens, einen wirksamen Nutzungsvorbehalt erklären zu können und eine gerechte Vergütung der betroffenen Schöpfer zu etablieren. Pappi schlug vor, dafür an der Output-Seite anzusetzen: Wenn generative KI ein Erzeugnis herstellt, solle durch den Nutzer ein Pauschalbetrag an Urheber entrichtet werden, deren Werke beim Training des Systems verwertet wurden. Mit diesem Vorschlag wolle man nach der EU-Wahl 2024 an die EU-Parlamentarier herantreten.

Im Anschluss an die Diskussion überreichte Prof. Dr. Sporn in seiner Funktion als dessen Vorsitzender und Sprecher den Preis des Beirats der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht für die beste Studienleistung ihres Jahrgangs an Anika Schneider. Diese hatte sich in ihrer Masterarbeit mit dem Titel „Die BGH-Urteile vom 9.9.2021 (Az.: I ZR 90/20, I ZR 125/20 und I ZR 126/20) – Eine grundlegende Veränderung für das Influencer Marketing?“ mit den rechtlichen Implikationen des Influencer Marketings beschäftigt. Neben ihren Betreuern Prof. Dr. Hentsch und Prof. Dr. Ingo Jung dankte sie ihrer Kommilitonin Mara Weßling, die sich, passend zum Namen des Studiengangs Medienrecht und Medienwirtschaft, mit den wirtschaftlichen Fragen des Influencer Marketings auseinandergesetzt hatte. Schneider ist bereits in das Berufsleben gestartet und arbeitet seit ihrem Abschluss als Corporate Legal Counsel bei Trusted Shops. Im Publikum saßen am Donnerstag aber auch jene, die den Weg zum Master of Laws noch vor sich haben. So etwa Ruben Tesch, der zum Wintersemester das Masterstudium aufgenommen hat. Sein Interesse am Recht und seine Faszination für die Aktualität und die dynamischen Entwicklungen in der Medienbranche haben ihn dazu bewegt, nach seinem Bachelor-Abschluss im Wirtschaftsrecht weiter zu studieren. In welchem Beruf er nach seinem Abschluss arbeiten will, weiß er noch nicht: „Ich hoffe, dass sich das im nächsten Jahr herauskristallisiert.“ Einblicke in die Medienpraxis, wie er sie am Donnerstagabend bekam, werden bei der Entscheidung sicher helfen.

Der digitale Impuls von Kai Zenner ist hier abrufbar.

November 2023


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