„FAKE PICTURES“ – Wider dem Schönheitswahn

0G5A2388-840x430.jpg (Bild: TH-Köln)

Influencer müssen per Gesetz Fake Fotos markieren

27.09.2021

Dr. Stephan Bücker, Lehrbeauftragter und Rechtsanwalt der Kanzlei Straßer Ventroni Freytag, Standort Köln

Perfekte Menschen, makellose Haut, traumhafte Wohnungen und vor allem Werbung – genau das macht die Social Media Welt aus. Zwischen Inspiration, Hobby und Beruf wirft die Branche jedoch unzählige rechtliche Fragen auf. Der Fokus in Deutschland: die richtige Kennzeichnung von Beiträgen, um echte Produktkennzeichnung zu erlauben, Schleichwerbung zu verhindern und den Verbraucher hierdurch zu schützen. Norwegen hingegen will nicht nur den allgemeinen Verbraucher schützen, sondern vor allem die Kinder und Jugendlichen des Landes. Der Gesetzesentwurf aus dem Norden gibt nochmal einen völligen neuen Blickwinkel auf die vermeintlich perfekte Social Media Welt.

So sollen Posts und Stories gekennzeichnet werden, sofern die Körperform, die Größe oder aber auch bei der Haut etwas verändert wurde. Ziel: Kinder und Jugendliche sollen weniger dem kroppspress – wörtlich übersetzt Körperdruck – ausgesetzt werden. In Norwegen greift also der Staat nunmehr ein, um dem Problem von unrealistischen Körperidealen mit einem neuen Gesetz Herr zu werden. Aber ist die Intervention durch den Staat hier das geeignete Mittel? Ein staatlicher Eingriff soll stets nur insoweit in die Rechte eines Bürgers eingreifen, sofern dies verhältnismäßig ist. Wenn das Mittel außer Verhältnis zum Zweck steht, ist der Eingriff zu weitgehend und damit nicht gerechtfertigt.

Was sich auf den ersten Blick als revolutionäres Gesetz anfühlt, mag auf den zweiten Blick daher als zu starker Einschnitt in persönliche Freiheiten empfunden werden. Unbestritten ist, dass die Folgen des falschen Perfektionismus in den sozialen Medien für junge Menschen verheerend sind und sich dabei schädlich auf die psychische Gesundheit auswirken können. Instagram, einer der großen Plattformbetreiber erteilt selbst Ratschläge und hat den MentalHealthAwarenessMonth ins Leben gerufen.

Fakt ist: die Initiative in Norwegen ist ein wichtiger Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Diskussion, nicht nur in Deutschland. Aber brauchen wir wirklich den Gesetzgeber oder sollten wir hier in die Selbstregulierungs-Mechanismen des Marktes vertrauen? Gerade zu Corona Zeiten haben weitreichende staatliche Eingriffe in Grundfreiheiten und in das Wirtschaftsleben eine schwelende Debatte über das Verhältnis und die richtige Balance zwischen staatlicher Einflussnahme und persönlicher Freiheit in den Vordergrund gerückt. Im Interesse so genannter höherer Ziele wie Sicherung der Ernährung, Sorge um die Gesundheit und das Wohlergehen der Bürger greift der Staat immer öfter ein. Die Regulierung beruht dabei immer auf der Annahme, dass die Regierung, beraten durch sogenannte Experten, ein besseres Verständnis hat und besser weiß, was zum Wohle der Bürger zu tun sei. Das ist ein fundamentaler Irrtum: In einem vielschichtigen (d.h. grundsätzlich zur Selbstorganisation fähigen) System kommen viel mehr nützliche Informationen und Erfahrungen zusammen als in einem noch so kompetent besetzten Expertengremium. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Markt sich der Herausforderung auch ohne den Gesetzgeber stellen und für sinnvolle Lösungen sorgen kann. Denn nur ohne staatliche Einflussnahme ist der Einzelne auch gefordert, neue Wege zu suchen und diese auch zu beschreiten. Ein Vertrauen, in die Funktionsfähigkeit des Marktes und seiner Spieler sollte stets das Grundverständnis eines jeden demokratisch geführten Staates sein. Ein Eingriff sollte nur dort vorgenommen werden, wo das Kräfteverhältnis aus der Balance geraten und der einzelne nicht mehr aus sich heraus agieren kann. Das dies auch in den sozialen Welten möglich ist, zeigt ein neuer Trend: Influencer, die von selbst gegen den Körperkult vorgehen. Sie posten unter dem Hashtag „instavsreality“ unbearbeitete Bilder von sich, um ihren Followern die Illusion des perfekten Körpers zu nehmen. Eine realistischere Darstellung von Körpern aller Größen und Formen ist auch aus der Marketingperspektive sinnvoll. Denn mehrere Studien zeigen, dass Body-Positivity-Kampagnen bei den Usern deutlich besser ankommen als Werbung, die ein unrealistisches Schönheitsideal propagiert. Das dürfte auch eine Botschaft sein, die die meisten Vorreiter, aber auch Fans der „Body Positivity“-Bewegung gutheißen dürften: Wichtig ist nicht, wie man aussieht, sondern was man tut und für welche Werte man sich einsetzt und das ganz ohne den erhobenen Zeigfinger des Staates.

September 2021


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