Risiken des automatisierten Fahrens: Herausforderungen und Lösungsansätze für die Kfz-Versicherung
Am 7. Dezember 2018 fand das 14. FaRis & DAV-Symposium am Institut für Versicherungswesen an der TH Köln statt.
In seinem Eröffnungsvortrag stellte Professor Dr. Torsten Rohlfs zunächst die grundsätzlichen technischen Aspekte des automatisierten Fahrens anhand der dazu notwendigen technischen Fahrzeuginfrastruktur dar. Rohlfs führte an, dass es in der Praxis aufgrund der uneinheitlichen Nutzung der Terminologie des „autonomen“ und „automatisierten“ Fahrens zu Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen verschiedenen Automatisierungsstufen komme, die wiederum eine spezifische Bewertung der Technik aus Versicherungssicht erschweren.
Aus diesem Grund stellte er die in der wissenschaftlichen Literatur anerkannten Stufen der Fahrzeugautomatisierung dar, welche den Automatisierungsgrad anhand der Bewertungskriterien der Übernahme der Längs-/Querführung, der Übernahme des Monitorings der Fahrzeugumwelt sowie der Übernahme der Rückfallebene der Fahrzeugsteuerung in fünf unterschiedliche Automatisierungsstufen unterteilt.
Im Anschluss daran skizzierte Professor Dr. Rohlfs die potentiellen Auswirkungen von vernetzten automatisierten Fahrzeugen auf die Kfz-Versicherung in den Bereichen der Risikolandschaft (Cyber-Risiko sowie Unfallzahlen) und die daraus folgenden Auswirkungen auf das Kapitalmanagement sowie die Verschiebung von Kundenschnittstellen im Versicherungsmarkt dar. Darüber hinaus beschrieb er mögliche Veränderungen von internen Prozessen (Distribution, Schadenabwicklung und aktuarielle Bewertung) des Kfz-Versicherers.
Im Anschluss daran stellte Fabian Pütz, Promotionsstudent der TH Köln in Kooperation mit der University of Limerick, Ergebnisse seiner derzeitigen Forschungsarbeit dar. Dabei ging er vertieft auf die Auswirkungen von vernetzten, automatisierten Fahrzeugen auf die Kfz-Versicherung aus rechtlicher und technischer Sicht ein.
Aus rechtlicher Sicht zeigte er auf, wieso mit einer massiven Verschiebung von Haftungsrisiken vom Kfz-Versicherer zur Herstellerseite unter dem derzeitigen Haftungs- und Versicherungsrahmen nicht gerechnet werden könne. Dies liege vor allem an einer mangelnden Motivation der Kfz-Versicherer, Haftungskosten tatsächlich weiterzureichen. Er begründete es mit der Annahme, dass die Weiterleitung von Haftungskosten auf Branchenebene zu einer Erosion des eigenen Geschäftsmodells führe. Weiterhin führte er aus, dass fehlendes technisches und rechtliches Know-How der Kfz-Versicherer erschwere, das Vorliegen der Voraussetzungen von Produkthaftungsfällen effektiv zu prüfen. Letztlich verhinderten Ausschlüsse im Produkthaftungsgesetz potentiell, dass Haftungskosten tatsächlich weitergeleitet werden können.
Aus Sicht des Geschädigten erachtet Pütz den geltenden Haftungs- und Versicherungsrahmen grundsätzlich als weiterhin ausreichend, führte jedoch an, dass die Verdopplung der Haftungshöchstgrenzen im StVG nicht ausreiche, um den Wegfall der unlimitierten Haftung des menschlichen Fahrers aufzuwiegen. Darüber hinaus habe es der Gesetzgeber versäumt, die Mindestversicherungssummen ebenfalls zu erhöhen, sodass das Risiko entstehe, dass die Haftung des Halters nicht durch entsprechenden Versicherungsschutz abgedeckt sei.
Aus technischer Sicht stellte Pütz dar, dass der tatsächliche Nachweis einer höheren Sicherheit von vernetzten, automatisierten Fahrzeugen noch ausstehe. Aus diesem Grund sei der aus dem vermuteten Rückgang der Unfallzahlen abgeleitete Rückgang des Versicherungsprämienvolumens sehr spekulativ. Neben der möglichen Entwicklung der absoluten Schadenlast sei darüber hinaus von Bedeutung, wie sich die Charakteristika der Gesamtschadenverteilung zukünftig verändern. Beispielhaft führte er an, dass deterministisch vorgegebene Algorithmen in den Fahrzeugen potentiell zu Serienschadenereignissen führen oder dass Cyber-Attacken zukünftig die Quelle von „man-made“ Cat-Events darstellen könnten.
Abschließend stellte Marco Morawetz, Head of Consulting (non-life) der Gen Re, in seinem Vortrag seine Sicht auf die aktuelle Marktverfassung der Kfz-Versicherung dar und zeigte darauf aufbauend die Möglichkeiten und Risiken der zunehmenden Vernetzung von Fahrzeugen aus Versicherersicht unter besonderer Würdigung von Telematik-Tarifen dar. Er führte aus, dass der Kfz-Versicherungsmarkt seit der Deregulierung aufgrund der geringen Profitabilität eher als „Geldwechselgeschäft“ gesehen werden könne. Darüber hinaus zahlen Kunden inflationsbereinigt zirka vierzig Prozent weniger für ihre Kfz-Versicherung als noch Mitte der neunziger Jahre. Die Folge hieraus ist ein relativ geringer Anteil an Kunden mit vergleichsweise sehr hohen Beiträgen (über tausend Euro). Hinsichtlich der aktuariellen Tarifierung zeigte er, dass im Markt eine hohe Spreizung der Tarifierung zwischen einzelnen Versicherungsunternehmen beobachtet werden könne.
Hinsichtlich des Zugriffs auf relevante Daten aus dem vernetzten Fahrzeug stellte er dar, dass der Anwendungsbereich „Versicherung“ aus ganzheitlicher Betrachtung nicht als unbedingt zentral für die fortschreitende Vernetzung zu sehen sei. Abhängig von der zukünftigen Offenheit oder Geschlossenheit von digitalen (Öko)Systemen um das vernetzte Fahrzeug könne sich die Rolle der traditionellen Kfz-Versicherer massiv verschieben. Hierbei sei die Vernetzung des Fahrzeugs als Möglichkeit für Kfz-Hersteller zu sehen, die Dauer der aktiven Kundenbeziehung zu erhöhen und somit auch versicherungsrelevante Services über den Kfz-Erstmarkt hinaus im Gebrauchtwagenmarkt anzubieten.
Hinsichtlich der Tarifierung anhand von Telematikdaten seien die derzeitigen technischen Ansätze nicht ausreichend, um die aufgezeichneten Telematikdaten adäquat im Kontext der jeweiligen Fahrsituation bewerten zu können. Insbesondere sei es nicht möglich, die Telematikdaten im Zusammenhang mit dem jeweiligen Allgemeinzustand des Fahrers oder der Fahrumwelt (bspw. Witterungsverhältnis oder Straßenbeschaffenheit) zu bewerten. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht führte er aus, dass das kompetitive Marktumfeld und die sehr niedrige Profitabilität eine rentable Einführung von Telematiktarifen mit signifikanten Prämienrückerstattungen im breiten Markt erschwere – wenn nicht sogar unmöglich gestalte.