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Andreas Krupa

Andreas Krupa

Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft (CICS)

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Untersuchung des Chorgestühls der Kirche Gospa od Spilica auf der Insel Lopud (Kroatien)

Dieses letzte Bild zeigt die vorerst letzte Exkursionsgruppe aus dem Jahr 2019. Die Teilnehmer*innen kommen von der Universität Antwerpen, der Universität Dubrovnik der École Supèrieure La Cambre Brüssel und der Technischen Hochschule Köln. Die Gruppe arbeitete in diesem Jahr an Möbeln und einer Haube eines Taufbeckens der Pfarrkirche Gospa od Sunja (Heilige Maria von der Schlangenbucht). Die Arbeit an den Chorgestühlen stand 2019 dagegen still. Wir hoffen bald wieder auf die Insel zurückkehren zu dürfen! (Bild: TH Koeln - CICS - Andreas Krupa)

Im Rahmen des International Conservation Workshop Lopud (ICWL) untersuchen die Studierenden und Lehrenden mehrerer internationaler Hochschulen mit Restaurierungsstudium das Chorgestühl der Franziskaner-Kirche auf der kroatischen Mittelmeerinsel Lopud, nahe Dubrovnik. Die Untersuchung der hinfälligen Gestühle stehen am Anfang eines auf mehrere Jahre angelegten Restaurierungsprojekts.

Studienprojekt auf einen Blick

Kategorie Beschreibung
Projekt International Conservation Workshop Lopud (ICWL) - Investigation of Choirstalls of the church Gospa od Spilica Lopud Croatia
Betreuer*innen Prof. Charles Indekeu (University of Antwerp), Josko Bogdanovic (University of Dubrovnik), Bozena Popic-Kurtela (Croatian Ministry of Culture - Institute of Restoration of Dubrovnik), Dr. Ursula Weber-Woelk, Andreas Krupa Dipl.-Rest. (FH) M.A.
Studienrichtung Objekte aus Holz und Werkstoffen der Moderne
Beteiligte Ella Claes, Arne Verdonck (University of Antwerp), Katarina Prkacin, Sara Stevanovic, Zlata Prijic (University of Dubrovnik), Julian Schmid, Connor Haupt, Dominic Huber, Clara Sutorius, Jan-Niklas Kurka
Projektpartner University of Antwerp | UA, Department Conservation-Restoration
University of Dubrovnik (UNIDU), Department Conservation-Restoration
Croatian Ministry of Culture, Institute of Restoration of Dubrovnik
Laufzeit 2018 bis heute
Fördermittelgeber Društvo za zaštitu spomeničke baštine i prirode Lopuda (Association for the Protection of the Monuments of Lopud)

Während der 2016er Kampagne des ICWL wurden die Vertreter*innen der Hochschulen aus Antwerpen, Dubrovnik und Köln durch das staatliche Institut für Konservierung-Restaurierung in Dubrovnik gebeten, ob die kommenden ICWL-Gruppen auch das Chorgestühl der Kirche Heilige Maria von der Grotte (Gospa od Spilica) untersuchen und restauratorisch behandeln können. In den Jahren 2017 und 2018 fanden dann die ersten beiden Untersuchungsphasen statt.
Die Situation der Gestühle ist problematisch, u.a. weil die Sitze in täglichem Gebrauch sind. Die Kirche liegt in unmittelbarer Nähe zum Inselhafen und wird täglich von vielen Tagestourist*innen besucht. Zudem wird die Kirche für die Messfeiern der Inselgemeinde genutzt. Das Chorgestühl wird von Tourist*innen wie Inselbewohner*innen nicht unwesentlich in Anspruch genommen. Alter und Gebrauch haben zu einem dynamischen Prozess der Erosion (Verlust ursprünglicher Substanz) und gleichzeitiger Erneuerung der Gestühle geführt. Dabei entsprechen die getroffenen Maßnahmen häufig nicht dem Erhaltungsgrundsatz und haben auch nicht immer zu dauerhaften Verbesserungen geführt. Die Beobachtungen der ICWL-Jahre auf der Insel und die Untersuchungen haben hervorgebracht, dass sich die Gestühle in einem gefährdeten Zustand befinden. Dem soll nun Abhilfe geschaffen werden.

Die Gestühle

Die Chorgestühle bestehen aus vier Sitzreihen, von denen jeweils zwei Elemente an der Nord- bzw. der Südwand des Kirchenschiffs positioniert sind. An der Südwand befinden sich ein Sieben- und ein Dreisitzer. Ein weiterer Dreisitzer und der Achtsitzer stehen gegenüber an der Wand zum Kloster hin und sind bisher die beiden Elemente, die intensiver untersucht wurden. Vor den alten Teilen der Gestühle stehen sehr einfache, in Brettbau konstruierte Kniebänke des 20. Jahrhunderts. Die alten Gestühlsteile weisen sichtbare Veränderungen auf, formen aber trotzdem bis heute eine Einheit und werden als kunstvoll gestaltete, würdig-repräsentative Kirchenmöbel früherer Zeiten wahrgenommen, in denen die Kirche das liturgische Zentrum des benachbarten Franziskanerklosters war. Es sind vor allem die prachtvollen Schnitzereien der Seitenwände der Gestühle, die die Betrachter in den Bann ziehen.

Objektgeschichte

Die Untersuchungen der Konstruktion und der Oberflächengestaltung führten zu der Erkenntnis, dass die Gestühle bereits aus Elementen zweier Epochen gebildet werden. Die Seitenwände mit den Schnitzereien, die Schulterringe, die Profilleisten der Dorsale (alle aus Nussbaumholz) und einige Sitze (Pappelholz) stammen aus einem Vorgänger-Gestühl und wurden erst später mit den aus Nadelholz gefertigten Böden, Rückwänden und Baldachinen vereinigt. Es kann stark vermutet werden, dass es sich bei der "Marriage" um eine großzügige Neukonzeption der Aufstellung der Gestühle handelt, wobei der Zeitpunkt unklar ist. Sechs der acht äußeren Gestühlsseiten wurden offenbar abgeschnitten; ein Umstand, der eine weitere Veränderung der Anlage in jüngerer Zeit nahelegt.

Zustand

Konstruktionsanalyse und Oberflächenuntersuchung sind weit fortgeschritten, aber noch nicht beendet. Trotzdem ergibt sich ein recht klares Bild von der Herstellung und der Beschädigung des Chorgestühls. Der Zustand ist tatsächlich kritisch. Die Hauptprobleme liegen in der Schwächung der Hölzer durch holzschädigende Insekten und Pilze, den oben schon erwähnten Verlusten und Reparaturen sowie in der Schwächung des Verbunds durch lose Verbindungen und den fortgeschrittenen Abbau der Unterkonstruktionen. Durch den Gebrauch schreiten die Schäden dynamisch fort.
Die Untersuchung der Oberflächen bestätigt den Konstruktionsbefund und offenbart ebenfalls Probleme durch unsachgemäße Veränderungen. So wurde bspw. anlässlich eines Festtages in der Kirche einer der Sitze im Achtsitzer mit einer Substanz überzogen, die an einen modernen Bootslack erinnert.

Erste Konzeptüberlegungen

Es ist offensichtlich, dass sowohl konservierende, invasiv-restaurative als auch präventive Maßnahmen erfoderlich sind, um das Gestühl vor dem weiteren Verfall zu retten. Teile, die kaputt gehen, werden auch heute noch durch aus restauratorischer Sicht unsachgemäße Eingriffe beseitigt und im Sinne einer einfachen Reparatur ersetzt. Diese schleichende Verwandlung der Gestühle muss aufgehalten werden! Ein wichtiges, geeignetes Mittel ist die Ertüchtigung aller alten Teile und der gelockerten Konstruktionsverbindungen. In einem weiteren Schritt müssen dann insbesondere im Bereich der Unterkonstruktion Hilfskonstruktionen eingefügt werden, die die Gestühle stabilisieren ohne augenfällig zu werden. Der Umgang mit den erhaltenen Oberflächen erfordert noch die Beendigung der Untersuchungen und prinzipielle Überlegungen zum zukünftigen Gebrauch. Es ist sicher, dass die Gestühle auch in Zukunft genutzt und durch Gemeindemitglieder gepflegt werden. Die Konservierungs-Restaurierungs-Maßnahmen an den durch Farblasuren sowie Transparentlacke gestalteten Oberflächen müssen dieser Nutzungsperspektive Rechnung tragen. In jedem Fall aber müssen die Oberflächen gereinigt, geklärt und vermutlich vervollständigt werden, damit die Kirchenbesucher als Nutzer der gestühle nicht auf die Idee kommen, weitere unsachgemäße Überarbeitungen vorzunehmen.
Gegenwärtig ruht das Projekt aufgrund der Corona-Krise und den damit verbundenen Reiserestriktionen. Wir hoffen aber schon bald wieder mit Studierenden und Lehrenden vor Ort sein zu dürfen.

Februar 2021

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