Untersuchung des Chorgestühls der Kirche Gospa od Spilica auf der Insel Lopud (Kroatien)
Im Rahmen des International Conservation Workshop Lopud (ICWL) untersuchen die Studierenden und Lehrenden mehrerer internationaler Hochschulen mit Restaurierungsstudium das Chorgestühl der Franziskaner-Kirche auf der kroatischen Mittelmeerinsel Lopud, nahe Dubrovnik. Die Untersuchung der hinfälligen Gestühle stehen am Anfang eines auf mehrere Jahre angelegten Restaurierungsprojekts.
Studienprojekt auf einen Blick
Kategorie | Beschreibung |
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Projekt | International Conservation Workshop Lopud (ICWL) - Investigation of Choirstalls of the church Gospa od Spilica Lopud Croatia |
Betreuer*innen | Prof. Charles Indekeu (University of Antwerp), Josko Bogdanovic (University of Dubrovnik), Bozena Popic-Kurtela (Croatian Ministry of Culture - Institute of Restoration of Dubrovnik), Dr. Ursula Weber-Woelk, Andreas Krupa Dipl.-Rest. (FH) M.A. |
Studienrichtung | Objekte aus Holz und Werkstoffen der Moderne |
Beteiligte | Ella Claes, Arne Verdonck (University of Antwerp), Katarina Prkacin, Sara Stevanovic, Zlata Prijic (University of Dubrovnik), Julian Schmid, Connor Haupt, Dominic Huber, Clara Sutorius, Jan-Niklas Kurka |
Projektpartner | University of Antwerp | UA, Department Conservation-Restoration |
University of Dubrovnik (UNIDU), Department Conservation-Restoration | |
Croatian Ministry of Culture, Institute of Restoration of Dubrovnik | |
Laufzeit | 2018 bis heute |
Fördermittelgeber | Društvo za zaštitu spomeničke baštine i prirode Lopuda (Association for the Protection of the Monuments of Lopud) |
Impressionen vom Studienprojekt
Das Einstiegsbild zeigt einen Blick vom Meer auf die Kirche Gospa od Spilica, die in direkter Nachbarschaft zum Hafen zu finden ist. Wenige Meter nur von den Fährschiffen und Ausflugsbooten entfernt führt eine Straße hinauf zur ehemaligen Klosteranlage. An gut besuchten Sommertagen muss damit gerechnet werden, dass die Kirche von über hundert Besuchern aufgesucht wird. Im Hauptschiff finden die Besucher die vier Sitzreihen des hier behandelten Chorgestühls an der Nord- und der Südwand. (Bild: TH Koeln - CICS - Andreas Krupa)
Das Foto zeigt den Achtsitzer an der Nordwand des Kirchenschiffs. Kniebänke und andere Kirchenmöbel wurden für das Foto und die Untersuchung auf die Seite geräumt. Der Achtsitzer ist über die Unterkonstruktion fest mit der Wand verbunden und steht teilweise direkt auf dem Inselfelsboden auf. Links neben dem Achtsitzer steht einer der beiden Dreisitzer, wobei jene nicht an den Wänden befestigt und somit in begrenztem Maße mobil sind. (Bild: TH Koeln - CICS - Andreas Krupa)
In dieses Bild sind zwei Fotos integriert. Beide Fotos zeigen Details der geschnitzten Seitenwangen, die aus Nussbaumholz gemacht sind. Links ist ein Detail zu sehen, welches eine Traube inmitten bewegt gerollten Blättern zeigt. Das rechte Bild zeigt ein Kapitell eines geschnitzten Pfostens. In den Schnitzereien zeigen sich stilistische Element der späten Gotik sowie der Renaissance. (Bild: TH Koeln - CICS - Andreas Krupa)
Eine 3D-Ansicht zeigt die Konstruktion und die Hauptmaße der an der Nordwand benachbarten Drei- und Achtsitzer. Die Konstruktionen der beiden Flügel bestehen aus einem mehrlagigen Unterkonstruktionssystem, den Boden- und Rückwandbrettern, den Seiten bzw. Trennwänden zwischen den Sitzen, den Ellbogenringen, den Faltsitzen und den Baldachinen sowie den geschnitzten Pfosten und den die obere Rückwände und die Innenflächen des Baldachins zierenden Profilleistenrahmen. Unterkonstruktion, Bodenbretter, Rückwandbretter, die unteren Hälften der Trennnwände zwischen den Einzelsitzen und alle Teile der Baldachine sind aus Nadelholz gefertigt und jünger als die Nussbaum- und Pappelholzelemente. Jene findet man an den geschitzten Seiten, den Ellbogenringen, den Pfosten vor den Seiten und den Faltsitzen. Die verschiedenen Holzarten und Konstruktionsweisen bestätigen die stilistische Betrachtung, dass es sich bei dem erhaltenen Gestühl um eine Verbindung älterer mit weniger alten Teilen handelt. (Bild: TH Koeln - CICS - Julian Schmid)
Eine Nahansicht eines geschnitzten Blatts zeigt, dass in den Tiefen der Schnitzerei eine rote Färbung nachweisbar ist. Dieses Detail ist nur bei entsprechender Beleuchtung zu erkennen und zeigt sich den Besuchern der Kirche nur, wenn helles Sonnenlicht auf das Gestühl leuchtet. Dieser Fund regt dazu an über eine farbliche Gestaltung der älteren Teile und das optische Erscheinungsbild neu nachzudenken. Die Farbuntersuchungen befinden sich noch am Beginn. (Bild: TH Koeln - CICS - Andreas Krupa)
In der Fotografie ist eine mikroskopische Anschliffprobe zu sehen, die einen Querschnitt durch einen nicht geschnitzten Bereich der Seite Y des Achtsitzers zeigt. Durch UV-Anregung ist hier ein Fluoreszenzbild zu sehen, welches die transparenten Filme der einzelnen Oberflächenbehandlungsschritte deutlicher sichbar macht. Unten im Bild sind die Zellhohlräume des Nussbaumholzes weitesgehend frei von fluoreszierenden Substanzen. Das ändert sich in den Bereichen "1" und "2". Bereich "1" zeigt tief im Holz und weit weg von der Oberfläche Hohlräume, in denen sich eine orange-bräunlich leuchtende Substanz befindet. Bereich "2" zeigt eine durchgehende Schicht hell-oliv-grünlich fluorezierenden Materials in den obersten Holzzellen. Im Übergangsbereich von "2" zu Schicht "4" lassen sich - in dieser Vergrößerung leider nur sehr schwach - Fragmente einer pigmentierten Schicht erkennen. Schicht "4" ist nun die erste Schicht, die auf der Holzoberfläche einen durchgehenden Film bildet. Sie leuichtet hell-weiß-bläulich. Schicht "5" ist in dieser Vergrößerung nur schwach erkennbar: es handelt sich um ein sehr schmales, offenbar unpigmentiertes, schwächer hellblau leuchtendes Band. Mehrere Beschichtungen sind erkennbar. Weitere Untersuchungen werden helfen, dem Rätsel der vielschichtigen Gestaltung auf die Spur zu kommen. (Bild: TH Koeln - CICS - Andreas Krupa)
Die Gestühle sind in ihrer Substanz und der Struktur sehr geschwächt und daher gefährdet. Dieses Bild zeigt einen Verbindungspunkt der Unterkonstruktion an der Rückseite eines mobilen Dreisitzers. Holzschädigende Insekten haben die beiden Kanthölzer fast vollständig zerstört. Der schmiedeeiserne Nagel kann diese Verbidnung nicht mehr stabilisieren. Bei dynamischer Belastung wird dieser Verbindungspunkt bald kollabieren. (Bild: TH Koeln - CICS - Andreas Krupa)
Einige Bodenbretter wurden angehoben bzw. gelöst, um einen Blick auf den Zustand der Unterkonstruktion und des Unterbodens werfen zu können. Nummer "1" markiert den aktuellen Kirchenboden. "2" deutet auf einen Bereich zwischen zwei Unterkonstruktionsbalken und zeigt hier, dass der Achtsitzer teilweise auf dem blanken Inselfelsen steht. "3" und "4" markieren verschiedene Lagen der Unterkonstruktionsbalken, wobei "4a" auf alte, stark zerstörte Balken hinweist und "4b" auf jüngst eingefügte Nadelholzbalken. Es sind mehrere Reparaturphasen und auch die Aufgabe bzw. den Ersatz älteren Materials ablesbar. Solche Reparaturen wurden in der Regel von Mitgliedern der Gemeinde ausgeführt. (Bild: TH Koeln - CICS - Connor Haupt, Jan Niklas Kurka)
Dieses letzte Bild zeigt die vorerst letzte Exkursionsgruppe aus dem Jahr 2019. Die Teilnehmer*innen kommen von der Universität Antwerpen, der Universität Dubrovnik der École Supèrieure La Cambre Brüssel und der Technischen Hochschule Köln. Die Gruppe arbeitete in diesem Jahr an Möbeln und einer Haube eines Taufbeckens der Pfarrkirche Gospa od Sunja (Heilige Maria von der Schlangenbucht). Die Arbeit an den Chorgestühlen stand 2019 dagegen still. Wir hoffen bald wieder auf die Insel zurückkehren zu dürfen! (Bild: TH Koeln - CICS - Andreas Krupa)
Während der 2016er Kampagne des ICWL wurden die Vertreter*innen der Hochschulen aus Antwerpen, Dubrovnik und Köln durch das staatliche Institut für Konservierung-Restaurierung in Dubrovnik gebeten, ob die kommenden ICWL-Gruppen auch das Chorgestühl der Kirche Heilige Maria von der Grotte (Gospa od Spilica) untersuchen und restauratorisch behandeln können. In den Jahren 2017 und 2018 fanden dann die ersten beiden Untersuchungsphasen statt.
Die Situation der Gestühle ist problematisch, u.a. weil die Sitze in täglichem Gebrauch sind. Die Kirche liegt in unmittelbarer Nähe zum Inselhafen und wird täglich von vielen Tagestourist*innen besucht. Zudem wird die Kirche für die Messfeiern der Inselgemeinde genutzt. Das Chorgestühl wird von Tourist*innen wie Inselbewohner*innen nicht unwesentlich in Anspruch genommen. Alter und Gebrauch haben zu einem dynamischen Prozess der Erosion (Verlust ursprünglicher Substanz) und gleichzeitiger Erneuerung der Gestühle geführt. Dabei entsprechen die getroffenen Maßnahmen häufig nicht dem Erhaltungsgrundsatz und haben auch nicht immer zu dauerhaften Verbesserungen geführt. Die Beobachtungen der ICWL-Jahre auf der Insel und die Untersuchungen haben hervorgebracht, dass sich die Gestühle in einem gefährdeten Zustand befinden. Dem soll nun Abhilfe geschaffen werden.
Die Gestühle
Die Chorgestühle bestehen aus vier Sitzreihen, von denen jeweils zwei Elemente an der Nord- bzw. der Südwand des Kirchenschiffs positioniert sind. An der Südwand befinden sich ein Sieben- und ein Dreisitzer. Ein weiterer Dreisitzer und der Achtsitzer stehen gegenüber an der Wand zum Kloster hin und sind bisher die beiden Elemente, die intensiver untersucht wurden. Vor den alten Teilen der Gestühle stehen sehr einfache, in Brettbau konstruierte Kniebänke des 20. Jahrhunderts. Die alten Gestühlsteile weisen sichtbare Veränderungen auf, formen aber trotzdem bis heute eine Einheit und werden als kunstvoll gestaltete, würdig-repräsentative Kirchenmöbel früherer Zeiten wahrgenommen, in denen die Kirche das liturgische Zentrum des benachbarten Franziskanerklosters war. Es sind vor allem die prachtvollen Schnitzereien der Seitenwände der Gestühle, die die Betrachter in den Bann ziehen.
Objektgeschichte
Die Untersuchungen der Konstruktion und der Oberflächengestaltung führten zu der Erkenntnis, dass die Gestühle bereits aus Elementen zweier Epochen gebildet werden. Die Seitenwände mit den Schnitzereien, die Schulterringe, die Profilleisten der Dorsale (alle aus Nussbaumholz) und einige Sitze (Pappelholz) stammen aus einem Vorgänger-Gestühl und wurden erst später mit den aus Nadelholz gefertigten Böden, Rückwänden und Baldachinen vereinigt. Es kann stark vermutet werden, dass es sich bei der "Marriage" um eine großzügige Neukonzeption der Aufstellung der Gestühle handelt, wobei der Zeitpunkt unklar ist. Sechs der acht äußeren Gestühlsseiten wurden offenbar abgeschnitten; ein Umstand, der eine weitere Veränderung der Anlage in jüngerer Zeit nahelegt.
Zustand
Konstruktionsanalyse und Oberflächenuntersuchung sind weit fortgeschritten, aber noch nicht beendet. Trotzdem ergibt sich ein recht klares Bild von der Herstellung und der Beschädigung des Chorgestühls. Der Zustand ist tatsächlich kritisch. Die Hauptprobleme liegen in der Schwächung der Hölzer durch holzschädigende Insekten und Pilze, den oben schon erwähnten Verlusten und Reparaturen sowie in der Schwächung des Verbunds durch lose Verbindungen und den fortgeschrittenen Abbau der Unterkonstruktionen. Durch den Gebrauch schreiten die Schäden dynamisch fort.
Die Untersuchung der Oberflächen bestätigt den Konstruktionsbefund und offenbart ebenfalls Probleme durch unsachgemäße Veränderungen. So wurde bspw. anlässlich eines Festtages in der Kirche einer der Sitze im Achtsitzer mit einer Substanz überzogen, die an einen modernen Bootslack erinnert.
Erste Konzeptüberlegungen
Es ist offensichtlich, dass sowohl konservierende, invasiv-restaurative als auch präventive Maßnahmen erfoderlich sind, um das Gestühl vor dem weiteren Verfall zu retten. Teile, die kaputt gehen, werden auch heute noch durch aus restauratorischer Sicht unsachgemäße Eingriffe beseitigt und im Sinne einer einfachen Reparatur ersetzt. Diese schleichende Verwandlung der Gestühle muss aufgehalten werden! Ein wichtiges, geeignetes Mittel ist die Ertüchtigung aller alten Teile und der gelockerten Konstruktionsverbindungen. In einem weiteren Schritt müssen dann insbesondere im Bereich der Unterkonstruktion Hilfskonstruktionen eingefügt werden, die die Gestühle stabilisieren ohne augenfällig zu werden. Der Umgang mit den erhaltenen Oberflächen erfordert noch die Beendigung der Untersuchungen und prinzipielle Überlegungen zum zukünftigen Gebrauch. Es ist sicher, dass die Gestühle auch in Zukunft genutzt und durch Gemeindemitglieder gepflegt werden. Die Konservierungs-Restaurierungs-Maßnahmen an den durch Farblasuren sowie Transparentlacke gestalteten Oberflächen müssen dieser Nutzungsperspektive Rechnung tragen. In jedem Fall aber müssen die Oberflächen gereinigt, geklärt und vermutlich vervollständigt werden, damit die Kirchenbesucher als Nutzer der gestühle nicht auf die Idee kommen, weitere unsachgemäße Überarbeitungen vorzunehmen.
Gegenwärtig ruht das Projekt aufgrund der Corona-Krise und den damit verbundenen Reiserestriktionen. Wir hoffen aber schon bald wieder mit Studierenden und Lehrenden vor Ort sein zu dürfen.
Februar 2021