„Das kann ich auch.“ Wirklich?
Moderne Kunst erweckt oft den Eindruck, sie sei einfach herzustellen. Aber können wir das wirklich? Dieser Frage stellten sich Studierende in einem dreiwöchigen Projekt im fünften Semester.
Moderne Kunst erweckt oft den Eindruck, sie sei einfach herzustellen. Der Betrachter hat das Gefühl, den Schaffensprozess mit einem Blick zu durchschauen und nicht selten hören wir: „Das kann ich auch.“ Aber können wir das wirklich? Dieser Frage stellten sich Studierende in einem dreiwöchigen Projekt im fünften Semester.
Impressionen von den Studienprojekten
Frau Petzinger schneidet für ihre Kopie eines Werkes von Ellsworth Kelly Baumwollgewebe zurecht. (Bild: TH Koeln - CICS)
Die Gestaltung einer monochromen schwarzen Fläche stellt sich als schwieriger heraus als zuvor angenommen. (Bild: TH Koeln - CICS)
Um die Techniken des Künstlers besser zu verstehen und anwenden zu können, werden mehrere Dummies erstellt. (Bild: TH Koeln - CICS)
Nach einigen Versuchen gelingt es Schnitte und Wölbung des Gewebes ähnlich den Werken von Lucio Fontana zu gestalten. (Bild: TH Koeln - CICS)
Die schwarze Farbe - mit dem von Karl Otto Götz verwendeten Bindemittel - muss selbst angerieben werden. (Bild: TH Koeln - CICS)
Die Technik von Otto Piene beinhaltet den Einsatz von Feuer und verlangt aus Sicherheitsgründen die Arbeit im Freien. (Bild: TH Koeln - CICS)
Für das Gemälde "Black on Maroon" von Mark Rothko werden verschiedene Farben angerieben. Es gilt die Zusammensetzung und Konsistenz der Farben auf der Grundlage von Analyseergebnissen bestmöglich zu imitieren. (Bild: TH Koeln - CICS)
Neben Pigmenten, Bindemitteln und Malmitteln bestimmt vor allem die Auftragsweise die Wirkung. Hier trägt Frau Krumm eine der vielen Farbschichten auf. (Bild: TH Koeln - CICS)
Der Vorbereitung des Malgrundes schenkte Gotthard Graubner besondere Aufmerksamkeit. (Bild: TH Koeln - CICS)
Herr Hüsken gestaltet ein kissenförmiges Bild in der Technik, wie sie von Gotthard Graubner überliefert ist. (Bild: TH Koeln - CICS)
Auch wenn Malmaterialien und Techniken von Gerhard Richter bekannt sind, fehlt die Erfahrung in der Umsetzung. (Bild: TH Koeln - CICS)
Um die Farbverläufe besonders weich erscheinen zu lassen, mischte Gerhard Richter Nelkenöl in die Ölfarbe. Die Nachahmung erweist sich als schwierig. (Bild: TH Koeln - CICS)
Der Op-Art Künstler Almir Mavignier produzierte wunderbare Effekte mit einer „Stempeltechnik“, die sich mit einiger Übung nachvollziehen lässt. (Bild: TH Koeln - CICS)
Nur durch sorgsames Auftupfen der schwarzen Farbe kann die gleichmäßig monochrome schwarze Grundfläche erreicht werden. (Bild: TH Koeln - CICS)
Können wir wirklich „einfach so“ monochrome Farbflächen erschaffen und mit Schnitten öffnen, so dass sie einem Werk von Ellsworth Kelly oder Lucio Fontana gleichen (Abb.1 - 4)? Können wir eine monochrome Farbfläche mit unseren Händen produzieren, ohne dass sie unsere ganz persönliche Art, einen Pinsel zu führen, sichtbar macht? Können wir „ganz spontan“, in einem schöpferischen Prozess von zehn Sekunden die Spannung und Energie der Werke eines Karl Otto Götz erzeugen (Abb. 5, 6)?
Nach einer Einführung zu künstlerischen Intentionen, Materialwahl und Techniken bekamen alle neun Teilnehmer/-innen die Aufgabe, jeweils ein Werk von verschiedenen Künstlern zu kopieren. Natürlich, eine künstlerische Idee als Erster zu haben, das kann nicht jeder. Aber die Kopie solcher Werke sollte nicht sehr schwierig sein. Nur: Was ist eine Kopie? Etwas, das genauso aussieht wie das Original? Etwas, das aus denselben Materialien hergestellt ist? Mit derselben Maltechnik? Gerade in der modernen Kunst ist der gelenkte Zufall oft ein zentraler Aspekt der Maltechnik, der Unvorhersehbares entstehen lässt. Soll das Ziel unserer Kopie also das Aussehen des Werkes oder das Nachempfinden seines Entstehungsprozesses sein?
Was auf den ersten Blick wie ein einfacher, spontaner Akt wirken kann, begann für uns mit einer Literaturrecherche. Jede/r versuchte, für seinen Künstler schlüssige Antworten auf die Fragen an eine Kopie zu finden. Welche Aspekte erscheinen zentral für den jeweiligen Entstehungsprozess? Bei Otto Piene, der Fixativ und andere Materialien auf einer monochromen Fläche anzündete und mit den Brandspuren Formen erzeugte, ist das Steuern eben dieses zufälligen Prozesses ein zentrales Element (Abb. 7, 8). Die verwendete Malfarbe ist fast unbedeutend, die richtige Materialwahl bei den brennenden Flüssigkeiten aber entscheidend. Die Kopie des Werkes „Maroon on black“ von Mark Rothko (Abb. 9, 10) verwies auf eine weitere Schwierigkeit: Was tun, wenn die Aussage des Künstlers, er gehe nur zu Woolworth und kaufe irgendeine Farbe, mit einem Augenzwinkern gemacht wurde? Auch wenn wir später den genauen Angaben der Künstler und Analyseergebnissen (sofern vorhanden) folgten, wich die Wirkung doch von der der Originale ab. Schließlich können die Aussage von Künstlern über ihr eigenes Werk auch der Selbstinszenierung und weniger einer gewissenhaften Dokumentation dienen und die Ergebnisse der Materialanalysen lassen nicht unbedingt auf die Verarbeitung dieser Materialien schließen.
Im Schaffensprozess lernten wir, wie viel Aufmerksamkeit für das Detail hinter dem vermeintlich Einfachen steckt. War schon bei einer normalen Aufspannung einer Leinwand das Falten und Spannen der Ecken eine Herausforderung, wurde dies zur schweißtreibenden Kraftanstrengung für die abgerundet gepolsterten Ecken, wie sie Gotthard Graubner gestaltete (Abb. 11, 12). Eine Leinwand zu grundieren und in einer Farbe anzustreichen, klingt so lange einfach, bis man die Glanzunterschiede bemerkt, die Ellsworth Kelly irgendwie zu vermeiden wusste (Abb. 1, 2). Einfach klingt es auch, wenn Gerhard Richter Nelkenöl in die Ölfarbe mischt, damit sie für weiche Farbübergänge länger nass bleibt. Die Ausführung bedarf jedoch weit mehr Erfahrung (Abb.13, 14).
Die Anwendung von unterschiedlichen Bildträgern, Grundierungen, und in Öl, Öl-Harz, Acrylharz, Alkydharz, Kasein, Wachs und anderen Bindemitteln verarbeiteten Pigmenten haben unser Verständnis von den Einsatzmöglichkeiten, Verarbeitung und unterschiedlichen Wirkungen erweitert und können sicherlich Entscheidungen bei künftigen Restaurierungen vorbereiten helfen. Über die handwerkliche Nachahmung kann man vielleicht sagen: „Das können wir schon ganz gut.“ Die künstlerische Idee und der Erfahrungsschatz der Künstler, der es ihnen ermöglicht, ganz eigene Effekte zu erzeugen, lassen uns aber mit Staunen zurück.
Die GSM-Studierenden im 5. BA-Semester