Untersuchungen zu Ursachen und Möglichkeiten der Stabilisierung schwertrocknender Ölfarbschichten
in der zeitgenössischen Malerei (Verena Franken)
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Einleitung
Die Masterarbeit befasst sich mit dem Phänomen schwertrocknender Ölfarbschichten bei zeitgenössischen Gemälden. Fallstudien weisen darauf hin, dass Ölfarbschichten zunächst anscheinend normal trocknen und nach etwa fünf bis sieben Jahren einem Verflüssigungsprozess unterliegen. Die Trocknungsstörung charakterisiert sich darin, dass an der Oberfläche eine flüssige, viskoelastische Schicht entsteht. In einem fortgeschrittenen Stadium können sich insbesondere bei einem pastosen Farbauftrag Rinnspuren ausbilden (Abb. 1). Diese führen häufig zu einer Verfremdung des Werkes. Darüber hinaus können sich Schmutzpartikel in die verflüssigte Farbschicht einbetten, deren Abnahme die Grenzen der Restaurierbarkeit überschreitet. Häufig werden auch angrenzende Farbschichten erweicht und Farben vermischen sich irreversibel miteinander (Abb. 2). Zentraler Gegenstand der Arbeit sind Untersuchungen von Fallstudien, die zu einem besseren Verständnis der komplexen Vorgänge beitragen. Ursachen für die Entstehung der Trocknungsstörungen und Mechanismen, die zum Verflüssigungsprozess führen, werden aufgezeigt. Das Hauptanliegen der Arbeit besteht darin, verschiedene Möglichkeiten zur Stabilisierung schwertrocknender Ölfarbschichten zu untersuchen und zu evaluieren.
Forschungsstand
Chemische Veränderungen sowie Degradierungsprozesse von Ölfilmen wurden bereits von zahlreichen Naturwissenschaftlern untersucht.1 Insbesondere der Materialforscher Alexander Eibner erarbeitete bereits in den 1920er Jahren wesentliche Grundlagen auf dem Gebiet der Öltrocknung und stellte wichtige Hypothesen zum Trocknungsmechanismus von semi-trocknenden Ölen auf. Eibner beobachtete eine Verflüssigung bei Mohn-, Sonnenblumen- und Sojabohnenölfilmen, die er auf eine spontane Synärese zurückführte.2 Nach bisherigem Forschungsstand ist der Verflüssigungsprozess primär auf rheologische Eigenschaften der Farbe und die Akkumulation von niedermolekularen und ungebundenen, polaren Komponenten zurückzuführen.3 Diese Komponenten haben einen mobilen und flüchtigen Charakter und können den Verflüssigungsprozess beeinflussen. Als Konservierungsmaßnahme liegt bisher lediglich eine Methode zur Abnahme von Rinnspuren vor4, die jedoch nicht zum Stillstand des Verflüssigungsprozesses führt.
Methodik und Analysen
Anhand von Fallstudien werden wesentliche Charakteristiken verflüssigter Ölfarbschichten aufgezeigt. Durch interdisziplinären Austausch mit Künstlern und Restauratoren sowie durch Literaturrecherchen konnten Informationen zu betroffenen Werken zusammengetragen werden. Das Phänomen verflüssigter bzw. erweichter Ölfarbschichten wird insbesondere bei Gemälden von Jonathan Meese, Tal R, Daniel Richter und Ingo Meller festgestellt. Die Trocknungsstörungen betreffen bei den untersuchten Gemälden „Der Kotbart erwacht“ (2001/20002) und „Kleiner Hund“ von Jonathan Meese primär Pastositäten und Farbwülste, die mit ‚Buff Titanium’ Tubenfarbe der Serie Georgian® (Daler Rowney) gemalt sind.
Die Untersuchungen zum Verflüssigungsprozess und zu möglichen Methoden der Stabilisierung erfolgten anhand von Probenmaterial. Zum einen wurden Farbproben diverser Gemälde verwendet, die das Phänomen der Verflüssigung zeigen. Zum anderen wurden natürlich gealterte Proben eingesetzt, die teils oberflächlich verflüssigt bzw. erweicht sind. Letztere Proben repräsentieren Farben, mit denen Künstler malten und bei denen in der Vergangenheit Trocknungsstörungen auftraten. Diese unterschiedlichen Farbproben wurden hinsichtlich ihrer Zusammensetzung analysiert, um die Ursachen der Verflüssigung zu untersuchen. Die Überprüfung verschiedener Verfahren hinsichtlich einer möglichen Stabilisierung erfolgte an verflüssigtem Probenmaterial innerhalb von Versuchsreihen.
Im Rahmen der Studie wurde eine Untersuchung von Proben und betroffenen Werken im sichtbaren Licht sowie unter Blau- und Fluoreszenzanregung mit dem bloßen Auge und unter dem Mikroskop durchgeführt. Zur Charakterisierung des Verflüssigungsgrads und einer möglichen Verfestigung wurden Materialeigenschaften, wie Härte und Oberflächenklebrigkeit, überprüft. Die durchgeführten Analysen umfassten infrarotspektroskopische und massenspektroskopische Verfahren, thermische Untersuchungen sowie Elementanalysen.5 Der Einsatz einer Derivatisierungsmethode mit Schwefeltetrafluorid erleichterte die Charakterisierung funktioneller Gruppen und des Degradationszustands.6
Versuchsreihen und durchgeführte Maßnahmen
Die durchgeführten Versuchsreihen umfassten eine Beta-, Ultraviolett- und Mikrowellenbestrahlung, den Einsatz der Intense Pulsed Light-Technologie und eine thermische Behandlung verflüssigter Proben. Bei der Untersuchung hinsichtlich des Verfestigungserfolgs wurde der Frage nachgegangen, ob eine chemische Polymerisierung oder eine physikalische Härtung möglich ist. Eine Umsetzung der viel versprechenden thermischen Behandlung erfolgte an dem kleinformatigen Gemälde „Kleiner Hund“ von Jonathan Meese. Vor der Durchführung der Wärmebehandlung wurden jedoch zunächst Rinnspuren, die das Erscheinungsbild des Gemäldes verfremdeten, abgenommen bzw. gedünnt. Im Anschluss an die Umsetzung der Wärmebehandlung wurden die praktische Durchführbarkeit sowie die Möglichkeiten und Grenzen der Methode diskutiert.
Ergebnisse der Arbeit
Das Phänomen verflüssigter Ölfarben tritt bei pastos gemalten Ölgemälden verschiedener Künstler auf. Die Trocknungsstörung betrifft Farben unterschiedlicher Hersteller und meist nur einzelne Farbtöne und Bildpartien. Die Ursachen für die Verflüssigung liegen primär in der Zusammensetzung begründet. Sie sind auf semi-trocknende Öle zurückzuführen, die aufgrund ihrer geringen Vergilbungstendenz in modernen Ölfarben häufig eingesetzt werden.7 Die Verflüssigung ist vorzugsweise als bindemittelimmanenter Prozess zu werten, da dieser auch bei reinen Sonnenblumenöl- und Lacksaflorölaufstrichen stattfindet (Abb. 3). Grundvoraussetzung für das Eintreten einer Verflüssigung ist allerdings ein pastoser Farbauftrag. Neben der Zusammensetzung haben auch die Materialverarbeitung und Maltechnik der Künstler einen erheblichen Einfluss an dem Auftreten des Phänomens. Von den in Ölfarben enthaltenen Additiven sowie Pigmenten geht wahrscheinlich ein geringer Einfluss aus. Allerdings können auch äußere Faktoren, wie Klima und Licht sowie thixotrope Eigenschaften, das Auftreten der Trocknungsstörungen katalysieren.
Die Studie zeigte, dass durch Wärmebehandlung eine ausreichende Verfestigung erzielt werden konnte, aber eine Mindesttemperatur erforderlich ist, um den Verfestigungsprozess zu aktivieren (Abb. 4). Der Erfolg der Wärmebehandlung ist neben dem Verflüssigungsgrad und der Schichtstärke vorrangig temperatur- und zeitabhängig. Die Erhärtung ist primär ein physikalischer Prozess und verändert die chemische Zusammensetzung nicht.
Resümee
Die Untersuchungen konnten das Verständnis für die Vorgänge erweitern, die zum Verflüssigungsprozess von Ölfarben führen. Dabei wurden Informationen zur Materialzusammensetzung, zur Maltechnik und zum Trocknungsverhalten generiert.
Im Rahmen der Studie wurden verschiedene Strategien zur Stabilisierung verflüssigter Ölfarbschichten verfolgt. Durch die Wärmebehandlung ließ sich eine Verfestigung erzielen.8 Die Analyse von verflüssigten Proben vor und nach thermischer Behandlung konnte dazu beitragen, die Prozesse, die zu einer Erhärtung führen, nachzuvollziehen. Die erfolgreiche Durchführung der thermischen Behandlung an dem Gemälde „Kleiner Hund“ von Jonathan Meese erbringt den Nachweis, dass das Verfahren an Gemälden praktisch umsetzbar ist (Abb. 5).
Es besteht weiterhin Forschungsbedarf hinsichtlich der technischen Umsetzung der Wärmebehandlung. Es bleibt zu untersuchen und zu evaluieren, wie das Verfahren auch an großformatigen Gemälden angewandt werden kann. Mit einer Fortsetzung der Untersuchungen zum Verflüssigungsprozess und zur Umsetzbarkeit der Wärmebehandlung an Großformaten eröffneten sich neue Perspektiven. Des Weiteren ist die Langzeitstabilität von thermisch behandelten Farbschichten zu beobachten. Zahlreiche Ölfarbproben, die im Zuge des Masterprojekts angefertigt wurden, dienen als wichtige Grundlage für weitere Untersuchungen. Diese Probetafeln ermöglichen eine systematische Untersuchung zum Einfluss enthaltener Pigmente auf den Verflüssigungsprozess. Darüber hinaus sind Überlegungen anzustreben, wie das Auftreten einer Verflüssigung bereits im Vorfeld vermieden werden kann.
Endnoten
1 Jaap J. Boon und Ester S.B. Ferreira: Processes inside paintings that affect the picture: chemical changes at, near and underneath the paint surface. In: Reporting Highlights of the Mayerne Programme. Research Programme on Molecular Studies in Conservation and Technical Studies in Art History. The Hague 2006, S. 21–31. |
2 Alexander Eibner: Alexander Eibner: Über fette Öle, Leinölersatzmittel und Ölfarben. Beitrag zur Normalfarbenfrage. München 1922. |
3 Jenny Schulz: Liquefying oil paint: contemporary paintings in danger? In: ICOM Preprints. 16th Triennial Meeting (Lissabon, 19.9.-23.9.2011). Hrg. Critério-Produção Grafica, Lda. Almada 2011, nicht pagniert. Frank G. Hoogland, Jerre van der Horst und Jaap J. Boon: Liquefying Oil Paint in Some Late – Twentieth-Century Paintings. In: Modern Paints Uncovered: Proceedings from the Modern Paints Uncovered Symposium (London, 16.05.-19.05.2006). Hrg. Thomas J. S. Learner, Patricia Smithen, Jay W. Krueger und Michael R. Schilling. Los Angeles 2007, S. 282-283. |
4 Jenny Schulz: „Flüssige Ölfarbschichten“ in zeitgenössischen Gemälden. Untersuchung zu Ursachen - Möglichkeiten der Restaurierung am Beispiel des Werkes „Harvest“ (1993) von Otto Piene. Unveröff. Diplomarbeit FH Köln 2008. |
5 Zu den Analysen zählten folgende Verfahren: Fourier-Transform-Infrarotspektrometrie, Ramanspektroskopie, Elektrospray-Ionisation-Massenspektrometrie, Gaschromatographie mit angekoppelter massenspektrometrischer Detektion, Thermogravimetrie, Thermochemolyse, Dynamische Differenzkalorimetrie, Rasterelektronenmikroskopie sowie Röntgenfluoreszenz-analyse. |
6 Stefan Zumbühl, Nadim Scherrer und Wolfgang Müller: Derivatisation technique for infrared spectroscopy - Characterisation of oxidative ageing products in modern oil paint. In press 2014. |
7 Thomas J. S. Learner: Paint media analysis. In: Scientific Examination of Art: Modern Techniques in Conservation and Analysis (Washington, D.C., 19.03.-21.03.2003). Washington, D.C., 2005, S. 18. |
8 Verena Franken, Gunnar Heydenreich, Elisabeth Jägers, Wolfgang Müller, Jenny Schulz und Stefan Zumbühl: Set back the race: Treatment strategies for running oil paint. In press 2014. |
Betreuung
1. Betreuer: Prof. Dr. Gunnar Heydenreich
2. Betreuer: Prof. Dr. Elisabeth Jägers
Laufzeit
2013-2014
August 2015