Rekonstruktion als restauratorische Maßnahme am Beispiel eines Schreibschranks des 19. Jahrhunderts
Die Arbeit an einem spätbiedermeierlichen Schreibschrank mit typischer Mahagoni-Optik führte zu intensiven Diskussionen über die passende Erhaltungsstrategie. Licht-geschädigte Oberflächen gaben dem Schrank ein unansehnliches Erscheinungsbild, das die Eigentümer nicht akzeptieren wollten. Konservierungsversuche schlugen fehl und so kam eine Rekonstruktion ins Spiel.
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Studienprojekt auf einen Blick
Kategorie | Beschreibung |
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Projekt | BA-Thesis 2020: Treatment Proposal for a Photodegraded Cabinet Surface Finish: Removal an Re-Coating Strategies |
Studienrichtung | Objekte aus Holz und Werkstoffen der Moderne |
Beteiligte | Alma Ben Yossef B.A. |
Betreuung | 1. Betreuer: Andreas Krupa, Dipl.-Rest. (FH) M.A. |
2. Betreuerin: Prof. Dr. Friederike Waentig | |
Laufzeit | 2020 |
Impressionen vom Studienprojekt
Siebenschübiger Schreibschrank aus Norddeutschland oder Skandinavien (ca. 1840), aus Privatbesitz in seinen drei Hauptansichten. Zustand nach dem ersten Durchgang der Konservierung-Restaurierung. Die ehedem tief rot-braunen, spiegelnden Außenflächen erscheinen durch eine Lichtschädigung in Abstufungen matt und grau-honigfarben. (Bild: TH Koeln - CICS - Alma Ben Yossef)
Schreibschublade geöffnet. Die Vorderstücke der kleinen und großen Schubkästen sind mit dem gleichen Pyramidenmahagoni-Furnier und der gleichen Oberflächenbehandlung versehen. Im Bild sind deutlich die Farbunterschiede und Transparenzunterschiede der ursprünglich gleich behandelten Furnierflächen erkennbar. (Bild: TH Koeln - CICS - Alma Ben Yossef)
Eine Testfläche an der linken Seite des Möbels wurde partiell freigelegt und anschließend mit einer Stocklacklösung teils auf der erhaltenen Oberfläche und teils im freigelegten Bereich beschichtet. Der enorme Kontrast zwischen der die Testfelder umgebenden, alten Oberfläche und der frischen Farbe in den Testbereichen illustriert, wie stark das optische Erscheinungsbild des Schranks durch die Lichtalterungsschäden beeinflusst wird. (Bild: TH Koeln - CICS - Alma Ben Yossef)
Eine Mahagoni-furnierte Probetafel wurde nach einer historischen Arbeitsanweisung des frühen 19. Jahhunderts mit einem Ölschliff behandelt und anschließend ein hochglänzender Schellack-Überzug aufgebaut. Die Tafel zeigt eine enorme Intensivierung der Holzfarbe, obwohl keine zusätzlichen Farbstoffe eingesetzt wurden und bringt die samtige Erscheinung des Furnierbilds hervor. (Bild: TH Koeln - CICS - Alma Ben Yossef)
Probetafel zur Erkundung des Erscheinungsbilds von Beschichtungen nach historischem Vorbild. Links wurde eine mehrschrittige Beschichtung ausschließlich mit einer Schellacklösung aufgebaut. In den Testbereichen mittig und rechts kamen zusätzlich Farbmittel zum Einsatz, die die Holzfarbe nochmals intensivieren, aber auch die Kontraste der Holztextur minimieren. (Bild: TH Koeln - CICS - Alma Ben Yossef)
Eine Grafik zeigt die Vielzahl der an der Testplatte aus der vorhergehenden Abbildung verwirklichten Beschichtungen. Oberhalb des als Foto zugrunde gelegten Dummys werden die Behandlungen mit Öl und unterhalb der Platte mit Lackschichten gezeigt. Dabei gibt die Farbe der transparenten Layers Auskunft über den zusätzlichen Einsatz von Farbstoffen. (Bild: TH Koeln - CICS - Alma Ben Yossef)
Diese Grafik zeigt die verschiedenen Optionen der Bewahrung und der Reduzierung der erhaltenen Schichten. Bereich A geht von der Erhaltung des Schellacküberzugs aus. B zeigt die Reduzierung des beschädigten Films und C die Beseitigung. Die durch den Ölschliff unter Verwendung von natürlichen Farbharzen gestaltete Oberfläche wird bei Option C erhalten. D zeigt schließlich eine in der Möbelrestaurierung immer noch verbreitete Vorgehensweise: das Abschleifen bis in das Holz. Je nach Grad der Beschädigung der erhaltenen Überzüge kommen die Optionen A oder C für verschiedene Flächen am Schrank zum Einsatz. Die Maßnahmen dauern noch an, sodass hier noch keine Nachzustandsfotos gezeigt werden können. (Bild: TH Koeln - CICS - Alma Ben Yossef)
Diese Abbildung zeigt nun Testflächen am Objekt. Die rechte Hälfte des Bildes zeigt Testfelder zur Freilegung und Neubeschichtung und am äußeren rechten Rand den Vorzustand auf dem Vorderstück des untersten großen Schubkastens. Links im Bild zum Vergleich die weniger geschädigten und ausschließlich gereinigten Vorderstücke der Innenschubladen. Die Testfelder wurden angelegt, um die Wirkung unterschiedlicher Wiederbelebungsstrategien in der Fläche zu überprüfen und sich somit dem zu wählenden Verfahren anzunähern. (Bild: TH Koeln - CICS - Alma Ben Yossef)
Durch Lichteinwirkung entstehen an Edelholz-furnierten und mit einem transparenten Überzug versehenen Möbeln häufig charakteristische Schäden, die die jeweiligen Objekte bis zur Unansehnlichkeit entstellen können. So verhält es sich auch bei einem spätbiedermeierlichen, siebenschübigen Schreibschrank (vermutlich Norddeutschland oder Skandinavien, um 1840). Starke Lichteinstrahlung führte zum Bleichen der Holzfarbe sowie der Farbmittel einer entstehungszeitlichen, roten Lasur und zu Transparenzstörungen, die der ursprünglich intendierten Wirkung von tiefroten, samtig schimmernden, glänzenden Oberflächen zuwider laufen. Die Fragestellung für die Bachelor-Abschlussarbeit von Alma Ben Yossef lag also darin, zu erkunden, wie dem optisch unbefriedigenden Erscheinungsbild mit restauratorischen Überlegungen und vor dem Hintergund der unerfüllten Erwartungen seitens der Kunden begegnet werden kann.
Unzureichende Ergebnisse der Konservierung
Die schon in einem früheren Schritt vorgenommenen Konservierungsmaßnahmen am beschädigten Überzug, die Reinigung, Festigung und regenerierende Verdichtung des transparenten Überzugs brachten nur bescheidene Verbesserungen des Erscheinungsbilds. Farbverlust und Transparenzstörungen konnten auf diese Weise nicht in akzeptabler Weise aufgewogen werden. Das zeigte auch die Rückmeldung der Eigentümer, die sich mit dem Ergebnis der konservierenden Maßnahmen nicht zufrieden zeigten. Alle Außenflächen und hier insbesondere die Flächen der Schubkastenvorderstücke blieben grau-gelb-bräunlich und matt, sodass neben des für Mahagonimöbel dieser Art atypischen Farbeindrucks auch der durch den Transparenzverlust im Überzug hervorgerufene, getrübte Blick auf die lebendige Textur der Mahagoni-Furniere das Erscheinungsbild unbefriedigend erscheinen ließ.
Test und Diskussionen - Entscheidung für eine Freilegung und rekonstruierende Beschichtung
Vor dem Hintergund der Untersuchungsergebnisse und in Rücksprache mit den Eigentümern fiel der Entschluss den vorhandenen, eventuell sekundären Überzug in weiten Bereichen der äußeren Möbeloberfläche aufzugeben und die durch einen Ölschliff und die Verwendung des Farbharzes Drachenblut gestaltete Holzoberfläche freizulegen. Der aktuell bereits durchgeführten Freilegung soll dann der Aufbau eines an der ursprünglichen, historischen Beschichtungstechnik angelehnten Überzugs folgen. Ein besonderer Schwerpunkt der BA-Arbeit lag in der Entwicklung einer geeigneten Freilegungsmethode, die die Reste der geblichenen, aber immer noch vorhandenen, ursprünglichen Farblasur und das Furnierholz mit all seinen kleineren, mechanisch verursachten Oberflächenschäden (Kratzer, Dellen, u.ä.) unangetastet lässt. Weiter wurden im Hinblick auf die Neubeschichtung und deren Ziele eine Reihe von "Dummies" und Probetafeln mit Testfeldern versehen und schließlich auch Tests am Objekt vollzogen.
Mit den Ergebnissen der Abschlussarbeit steht nun das Behandlungskonzept für den Schreibschrank und die laufenden Arbeiten werden vermutlich im Sommer 2021 abgeschlossen. Nach Abschluss der Arbeiten werden wir Ihnen die Arbeitsergebnisse hier zeigen!
Juni 2020