Möglichkeiten der Lederergänzung mit alternativen Materialien
Herstellung von Lederimitaten aus synthetischen Polymeren
Studienprojekt auf einen Blick
Kategorie | Beschreibung |
---|---|
Projekt | BA-Thesis 2024: Möglichkeiten der Lederergänzung mit alternativen Materialien - Herstellung von Lederimitaten aus synthetischen Polymeren |
Leitung | Prof. Dr. Andrea Pataki-Hundt |
Studienrichtung | Schriftgut, Grafik, Buchmalerei und Fotografie |
Beteiligte | Hanna Böhmer, B.A. |
Betreuung | 1. Betreuer: Prof. Dr. Andrea Pataki-Hundt |
2. Betreuerin: Bert Jacek, Dipl.-Rest. (FH), M.A. | |
Laufzeit | 2024 |
In der Buchrestaurierung ist das Schließen von Fehlstellen an Ledereinbänden eine häufig anzutreffende Herausforderung. Üblicherweise kommen als Ergänzungsmaterialien Echtleder oder Japanpapier zum Einsatz. In Fällen, in denen sich diese Materialien als ungeeignet erweisen, muss ein adäquater Ersatz gefunden werden. Einen interessanten Ansatz aus der Objektrestaurierung stellt die Verwendung von Kittmassen und flächigen Lederimitaten aus synthetischen Polymeren dar. Die Eignung dieser alternativen Materialien für die Anwendung an Bucheinbänden wurde bislang kaum untersucht. Aus diesem Grund beschäftigte sich diese Bachelorarbeit mit der Herstellung von flächigen Lederimitaten nach bereits publizierten Rezepturen. Die Imitate wurden aufgrund ihrer optischen und haptischen Eigenschaften sowie ihrer Biegeeigenschaften auf die Eignung als Ergänzungsmaterial an Leder-einbänden überprüft. Darüber hinaus wurden offene Fragestellungen identifiziert, deren Beantwortung weitere Untersuchungen benötigt.
Herstellung der Lederimitate
Bei den Versuchen zur Herstellung der Leder-imitate stellten sich zwei Rezepturen als besonders geeignet heraus, die durch Zugabe von Füllstoff optimiert wurden. Die erste Rezeptur basiert auf den Produkten der Firma Golden Artist Colors, die zweite basiert auf dem Acrylatklebstoff Lascaux® 498 HV. Die folgenden Mengen sind in Volumenanteilen angegeben:
Rezept mit Golden Acrylics
2 Teile Heavy Body Acrylics
1 Teil Heavy Gel
1 Teil GAC 100
1 Teil GAC 500
2 ½ Teile mikrokristalline Cellulose
Rezept mit Lascaux® 498 HV
10 Teile Lascaux® 498 HV
5 Teile mikrokristalline Cellulose
½ Teile Schmincke HORADAM® Gouache
Für die Herstellung der Lederimitate wird zu-nächst eine Silikonform von einem Stück Leder mit der gewünschten Narbung angefertigt. Anschließend wird die Masse sorgfältig mit einem Silikonspatel auf die Negativ-Form aufgestrichen und das überschüssige Material mit einem Filmziehgerät abgenommen (Abb. 1). So entsteht ein Film gleichmäßiger Dicke. Nach dem Trocknen sollte für eine erhöhte Stabilität rückseitig ein Japanpapier aufkaschiert werden. Das Imitat lässt sich mit Lascaux® Acrylatklebstoff am Objekt verkleben.
Prüfung der Lederimitate
Die Biegeeigenschaften spielen bei der Auswahl eines geeigneten Ergänzungsmaterials für Bucheinbände eine zentrale Rolle. Für das Einschlagen der Kanten am Buchdeckel muss es eine ausreichende Flexibilität aufweisen. Beim Öffnen und Schließen des Buches ist es zusätzlich erforderlich, dass das Material insbesondere im Bereich des Buchfalzes wiederkehrenden Biegebeanspruchungen standhalten kann, zu denen sowohl Dehnung als auch Stauchung zählen.
Die Beurteilung der Biegeeigenschaften erfolgte durch die Bestimmung der Biegesteifigkeit. Zusätzlich zur Prüfung der Lederimitate wurden Lederproben von einem Bucheinband aus dem 19. Jahrhundert und von einem neuen Kalbs-Restaurierleder geprüft. Die ermittelten Werte dienten als Referenz zur Einordnung der zuvor gemessenen Werte (Abb. 2). Im Vergleich zum Referenzleder wiesen die Lederimitate eine sehr geringe Biegesteifigkeit auf. Die Zugabe von mikrokristalliner Cellulose als Füllstoff erhöhte die Werte. Da diese jedoch weiterhin weit unter den Referenzwerten des Einbandleders sowie des Restaurierleders blieben, wurden die Lederimitate zur Erhöhung der Steifigkeit rückseitig mit Japanpapier kaschiert.
Eignung als Ergänzungsmaterial
Die beiden Massen überzeugen durch ihre einfache Verarbeitbarkeit und die optisch gelungene Oberflächentextur der entstandenen Lederimitate (Abb. 3). Der Farbwert der Imitate lässt sich einfach durch die Auswahl der Acryl- bzw. Gouachefarben steuern. Trotz geeigneter optischer Eigenschaften und adäquater Biegeeigenschaften limitieren materialbedingte Nachteile die Anwendbarkeit der Lederimitate. Oberhalb der Glasübergangstemperatur beider Acrylate bleiben die Imitate leicht klebrig und ziehen dadurch bei Raumtemperatur Staub und Verschmutzungen an. Unterhalb dieser Temperaturen werden beide Materialien hart und spröde. Des Weiteren zeigen Acrylate eine empfindliche Reaktion auf Lösungsmittel einschließlich Wasser, sowie auf Berührung, was sowohl die Handhabung als auch nachfolgende Konservierungsmaßnahmen erschwert. Daher ist eine uneingeschränkte Empfehlung derzeit nicht möglich und die Imitate können die Materialien Leder und Japanpapier zur Lederergänzung bisher nicht ersetzen. Sie stellen jedoch eine vielversprechende Erweiterung des Angebots an Ergänzungsmaterialien für Leder dar, die sowohl in der Buchrestaurierung als auch zur Ergänzung von Leder geschützter Tierarten, von ethnologischen Objekten, Tierpräparaten oder von Kunstleder Anwendung finden könnte.
August 2024