Blau-grünes Wunder? Ein Pilz färbt dekorative Elemente an Möbeln vergangener Jahrhunderte
Im WiSe 2022/23 fand für die Masterstudierenden des CICS ein Workshop zum dekorativen Einsatz pilzverfärbten Holzes an historisch-traditionellen Möbeln statt. Auf dem Programm standen Versuche zur Kultivierung des Chlorociboria-Pilzes, die Extraktion des Farbstoffs Xylindein, die vergleichende Färbung von kleinen Holztäfelchen und die anschließende beschleunigte Alterung der Brettchen.
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Studienprojekt auf einen Blick
Kategorie | Beschreibung |
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Workshop | Im Rahmen eines Moduls für das erste Mastersemester beschäftigten sich 12 Masterstudierende mit dem Phänomen des grünfaulen Holzes. Der Pilz Chlorociboria aeruginsacens befällt und durchwächst Totholz im Wald und bildet unter bestimmten Lebensbedingungen einen strahlend blau-grünen Farbstoff. Das durch die auffällige Farbe dekorative Holz wurde insbesondere in Einlegearbeiten an Möbeln und Vertäfelungen des 16. und 17. Jahrhunderts eingesetzt. Ziel des Workshops war es den Pilz und seinen Farbstoff besser kennenzulernen, um die Verwendung befallener Holzteile am historischen Objekt zu erkennen und die Sensibilität des pilzverfärbten Holzes gegenüber Alterungsreaktionen und Restaurierungsmaßnahmen abschätzen zu können. |
Beteiligte Studierende | Franziska Eber, Inés Gröner, Lena Gürtler, Nick Hüsken, Susanne Klug, Stephanie Krause, Roza Santej, Louisa-Marie Schnieder, Jubita Schweers, Nora Stanislawski, Ana Strasek, Sophia Tsai |
Betreuung | Felicitas Weiße Dipl-.Ing., Andreas Krupa Dipl-Rest. (FH) M.A. |
Zeitraum | Zwei Blockwochen: KW 42/2022 und KW 1/2023 |
Blaues Wunder?
An Holzobjekten vergangener Jahrhunderte finden sich Intarsienarbeiten, die kleine, strahlend blaugrüne bis grünliche Furnierelemente aufweisen (siehe Teaserbild). Jene Holzstückchen forcieren auf charakteristische Weise die vielfarbige Erscheinung und treten durch eine intensive blau-grüne, teils leuchtende Farbe aus der Palette der "natürlicherweise" bei einheimischen Hölzern verfügbaren Holzfarben hervor. Die Forschungen insbesondere von Hans Michaelsen (1983, 2014 und 2018)1 konnten den Nachweis erbringen, dass es sich bei den blaugrünen Furnierstücken um pilzverfärbte Hölzer handelt und dass diese Verfärbung dem sogenannten Grünspanbecherling zuzuordnen ist.
Bei dem Pilz mit dem lateinischen Namen Chlorociboria aeruginascens handelt es sich um einen an vielen Orten global verbreiteten, holzschädigenden Pilz, der bereits vorgeschädigtes Totholz - also i.d.R. abgebrochene Äste, die über einen längeren Zeitraum ungestört im Wald gelegen haben, und seltener lose herumliegendes Stamm- oder Wurzelholz - befällt und bei einer Ernährungsmangellage den blau-grünen Farbstoff Xylindein produziert. Der Farbstoff entsteht in den Pilzhyphen, die das Holz durchwachsen, und färbt damit das befallene Stück Holz.
Seit vielen Jahren haben Restaurator*innen immer wieder über den reizvollen und gleichzeitig überraschenden Aspekt des blau-grünen Holzes gestaunt und sich in Fachbeiträgen mit diesem dekorativen Phänomen beschäftigt.2 Trotzdem bleiben einige Fragen bis dato offen; z.B. jene nach den speziellen Herausforderungen während der Konservierung-Restaurierung entsprechender Einlegearbeiten.
Der nun durchgeführte Workshop widmete sich in den zwei Blockwochen im Oktober 2022 und im Januar 2023 u.a. folgenden Fragen: Färbt Chlorociboria das Holz blau oder grün? Wie muss man sich eine frisch angefertigte Einlegearbeit vorstellen und mit welchen Überzugsmaterialien wurde die poröse bis faserige Holzoberfläche geschützt? Welche charakteristischen Alterungs- und Schadensmechanismen sind zu beobachten? Ist die Pilzfärbung stabil und "unverwüstlich" oder verblasst mit den Jahren die Farbpracht? Haben die Intarsienschneider eventuell bereits den Farbstoff Xylindein aus Hölzern extrahiert und als Lösung für das Färben von hellen Hölzern benutzt? Gibt es "Do's and dont's", wenn beschädigtes Chlorociboriaholz gereinigt, gefestigt oder verklebt werden muss? Kann Chlorociboriaholz in der Restaurierung als Ergänzungsmaterial verwendet werden?
Ziel war es den Pilz wie auch den Farbstoff besser zu verstehen. Die folgende Bildergalerie und die Abschnitte unten behandeln einige Untersuchungsansätze und Ergebnisse.
Bildergalerie
Im Rahmen des Workshops hatten die Studierenden an einem Tag Zeit im Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) Objekte mit Intarsien, die Chlorociboriaholz enthalten, intensiv zu betrachten. Zwei Studierende untersuchen den Kölner Überbauschrank mit der Inventarnummer A1 (1601-1610, Köln). (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
Das Bild zeigt ein Detail des Überbauschranks, und zwar die dekorativ eingelegte Fläche des Kranzgesimses. Die mit dem Intarsienmesser geschnittenen Furniere formen aus verschiedenfarbigen einheimischen Hölzern eine Pflanzenranke. Die grünen Blätter werden durch Chlorociboriaholz dargestellt. (Bild: TH Köln - CICS - Nora Stanislawski, Katja Schüller)
Die gut erhaltene Fassade des Kabinettkastens Inv.-Nr. A314 (1570-1590, vermutl. Augsburg) zeigt in diesem Detail, wie farbkräftig das Chlorociboriaholz aus den heute eher brauntonigen ehemals stärker farbigen, anderen Fassadenteilen hervorstrahlt. Am oberen Bildrand ist gerade noch zu erkennen, das grünfaules Holz auch in Form von Spänemarmorierungen verarbeitet wurde. Übrigens: Die gepunkteten Furniere unten wurden aus Palme geschnitten. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
An der Truhe mit der Inv.-Nr. A1272 (1602, Wallau) kann der von den Intarsienschneidern intendierte Farbeffekt gut erkannt werden. Das blaugrüne Furnier - in der Tiefe des Risses in der Bildmitte zu erkennen - wird mit den anderen Intarsienbereichen zusammen mit einem Schutzüberzug beschichtet und wechselt durch den gelblichen Farbton des Überzugs zu dem beabsichtigten Grün. (Bild: TH Köln - CICS - Susanne Klug, Lena Gürtler)
Blau oder grün? Blau-grün? Ein bei einer Wanderung gefundenes Ästchen offenbart erst nach dem Aufsägen, dass es komplett vom Chlorociboriapilz durchwachsen ist. Forstfachleute sprechen von "grünfaulem Holz". Das aufgesägte Ästchen zeigt jedoch einen blau-grünen Farbton, der an die Farbe von Kupferkorrosion erinnert. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
Das Detail eines aufgesägten Eichenholz-Ästchens zeigt, dass der Pilz hier nur das empfindliche Splintholz befallen hat. Der Kern zeigt keine Farbveränderung. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
Eine Workshop-Gruppe beschäftigte sich mit dem Versuch den Pilz auf Nährböden oder in Flüssigkulturen zu züchten. Es kam ein im Spezialhandel erworbene Ursprungskultur zum Einsatz. Im Bild wird unter möglichst sterilen Bedingungen ein Nährboden beimpft. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
Im Anschluss an das Beimpfen wurden die Nährböden bei gelinder Wärme in einem zuvor sterilisierten Trockenschrank aufbewahrt. Leider waren die Kultivierungsversuche nicht erfolgreich, weil sich undefinierbare Schimmelrasen bildeten, die keinen einschlägigen Farbumschlag zeigten. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
Im Soxhlet-Verfahren wurde mithilfe des Lösemittels Methylethylketon aus Spänen von Chlorociboriaholz der kräftig blaue Farbstoff Xylindein extrahiert. Die frische blaue Farbe vergraut leider zusehends, wenn die Lösung ein paar Tage steht. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
Der Farbstoffextrakt wurde im Anschluss an das Soxhlet-Verfahren im Rotationsverdampfer vom Lösemittel befreit und somit getrocknet. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
Mit dem extrahierten und in wässriger Suspension gelösten Farbstoff wurden Ahorn- und Birkenholztäfelchen bestrichen. Hier im Bild ist das Aufstreichen der zum Vergleich hergestellten Indigo-Farblösungen zu sehen. Jene haben ein sehr viel kräftigeres und deckendes Blau als die Xylindein-Suspension. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
In Vorbereitung der Sets für die Lichtalterungstests wurden neben den mit Indigo und Xylindein gefärbten Täfelchen auch Chlorociboriaholz-Furniere auf Brettchen geleimt. Die fragilen Furniere wurden mit einer Dekupiersäge geschnitten und nach dem Aufkleben vorsichtig mit dem Hobel geglättet. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
Im Bild sind die Probenbrettchen vor der Bestrahlung im UV-Alterungsschrank zu sehen. Links hängen die Täfelchen, die mit Indigo aus Färberwaid bestrichen wurden. Die Brettchen in der Mitte wurden mit synthetischem Indigo gefärbt und rechts finden sich die mit dem extrahierten Farbstoff beschichteten Proben. Ganz rechts von oben nach unten: ein Brettchen mit aufgeleimten Pilzholzfurnieren, darunter je ein ungefärbtes Ahorn und Birkenholzbrettchen. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
Um die beschleunigte Alterung der Farbtäfelchen vergleichen zu können wurden ein zweites Set an Täfelchen auf ein Rack montiert und ins Fenster gestellt. Das Bild zeigt, dass die Brettchen jeweils zur Hälfte mit Alufolie abgedeckt waren. Im Vergleich der bedeckten mit den unbedeckten Bereichen konnte in der zweiten Blockwoche die Lichtalterung beobachtet werden. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
Im Bild sind drei mit Chlorociboriaholzfurnieren bestückte Probetäfelchen nach der Lichtalterung zu sehen. Links liegt das Brettchen, welches im Fenster der Sonne ausgesetzt wurde. Das Brettchen in der Mitte lag im Atelier und war hier dem künstlichen Raumlicht ausgesetzt. Das Brettchen rechts zeigt nun die Lichtalterung nach zweimonatiger Bestrahlung im UV-Lichtschrank. Die Pilzfarbe hat im nicht bedeckten Bereich rechts deutlich nachgelassen. (Bild: TH Köln - CICS - Susanne Klug, Lena Gürtler)
Die mit dem extrahierten Xylindein gefärbten Brettchen zeigen deutliche Verblassungserscheinungen. Die ohnehin nur streifig lasierende Farbigkeit hat im Fall der Täfelchen, die im UV-Lichtschrank einer beschleunigten Alterung zugeführt wurden, fast zum kompletten Verschwinden der Farbigkeit geführt (Brettchen in der unteren Reihe). (Bild: TH Köln - CICS - Susanne Klug, Lena Gürtler)
Nach der Lichtalterung der gefärbten Brettchen wurde im Normlichtschrank bei D50-Licht und mithilfe von unterschiedlichen Farbfächern eine Farbabmusterung vorgenommen. Die insbesondere durch die beschleunigte Alterung hervorgerufenen, erheblichen Farbveränderungen konnten auf diese Weise dokumentiert werden. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
In der Runde werden die Ergebnisse der Lichtalterung besprochen. Überraschenderweise hat auch die Farbe des mit Furnieren von Chlorociboriaholz bestückten Probebrettchens deutlich nachgegeben. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
Im Bild wird mit einem Crockmeter die Reibechtheit der gefärbten Täfelchen überprüft. Dabei wird in einem definierten Prüffeld, mit definiertem Druck und innerhalb einer bestimmten Zeit ein mit einem ungefärbten Baumwollgewebe bespannter Stempel über die Oberfläche des Täfelchens gerieben. Auf dem Gewebe sammelt sich der Abrieb und auf dem Brettchen lässt sich die Reibespur betrachten. (Bild: TH Köln - CICS - Andreas Krupa)
Das Bild zeigt sechs Brettchen, je zwei aus den unterschiedlichen Alterungssets, die mit einer wässrigen Indigolösung aus der Färberwaidpflanze gefärbt wurden, nach dem Crockmetertest. Mit Blick auf die deutlichen Abriebbahnen zeigt sich, dass der Farbstoff im Trägerholz nicht gut gebunden wird und sich abreiben lässt. (Bild: TH Köln - CICS - Inès Gröner, Sophia Tsai)
Zur Vergewisserung, welchen Einfluss transparente Überzüge mit ihrer Eigenfarbe auf die Farbwirkung der Blaufärbungen haben, wurden eine Serie der Brettchen mit einem Pinselstrich Stocklacklösung und einem weiteren Pinselstrich eines handelsüblichen Acryllacks bestrichen. Die Streifen sind deutlich zu erkennen und kontrastieren mit den unbehandelten Streifen jeweils in der Mittelachse der einzelnen Flächen. (Bild: TH Köln - CICS - Susanne Klug, Lena Gürtler)
Verwendung von Chlorociboriaholz in Einlegearbeiten
Mit welch klarer Kennerschaft die Intarsien-Handwerker ehedem mit den seltenen Holzfunden umgegangen sind, ließ eine ad-hoc-Untersuchung einiger historischer Möbel aus der Sammlung des Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) erahnen. Mit der Unterstützung durch den Möbelrestaurator des Hauses Werner Nett durften die Studierenden Möbel mit Chlorociboriaholz aus nächster Nähe betrachten und visuell untersuchen.
Chlorociboriaholz findet überwiegend dort in den Intarsienbildern Einsatz, wo grüne Landschaften (Wiesen, Bäume, Gräser, etc.) oder einfaches Blattwerk dargestellt wird (siehe Bildergalerie Abb. 2, 3 und 4). Beschichtungstests im Zuge des Workshops brachten sehr deutlich hervor, dass sich die am unbehandelten Holz eher blaue Farbigkeit durch Schutzüberzüge mit gelber Eigenfarbe zu Grün verändert. Diesen Effekt haben die Handwerker offenbar gekannt und somit die Intarsienmotive farbrichtig darstellen können.
Das nur in geringen Durchmessern verfügbare und auch nicht immer gleichmäßig gefärbte Astholz musste sehr vorsichtig geschnitten, gesägt und geglättet werden, weil Chlorociboria besonders gerne Holz befällt, welches zuvor bereits durch Weißfäule geschwächt wurde. Das Ergebnis dieser Vorschädigung ist faseriges, mazeriertes Holz, welches bei der Bearbeitung mit typischen Tischlerwerkzeugen schnell zerbricht. Aufgrund der Faserigkeit lässt sich das befallene Holz nur schlecht glätten. Die tendenziell rauen Oberflächen des Chlorociboriaholzes stehen in den Einlegearbeiten in Nachbarschaft zu häufig perfekt glatten Flächen gehobelter oder geschliffener, "gesunder" Holzfurniere. Größere Flächen im Intarsienmotiv mussten i.d.R. aus mehreren kleineren Furnierstücken zusammengesetzt werden.
All diese handwerklichen Herausforderungen waren offenbar bekannt und haben die Intarsienhersteller trotzdem nicht davon abgehalten Chlorociboriaholz einzusetzen. Mit der Verwendung setzen Sie in den Einlegearbeiten bis heute herausragende Farbakzente, die aus dem Einerlei der sich häufig durch Lichteinfluss angleichenden, natürlichen Holzfarben herausragen. An vielen der besichtigten Objekte aus dem MAKK zeigte sich eine nahezu ungestörte, strahlende Farbigkeit der pilzverfärbten Furnierteile.
Kultivierungsversuche im Labor
Bis ins Jahr 2021 hat sich Stephanie Stange im Rahmen ihrer Dissertation am Institut für Naturstofftechnik der Technischen Universität Dresden mit Verfahrensansätzen "zur gezielten mykologischen Holzverfärbung" auseinandergesetzt.3 Im Zuge ihrer Forschungstätigkeiten konnten Frau Stange und weitere Mitarbeiter und Projektpartner mehrere Patente für ein "Verfahren zur biotechnischen Gewinnung des blaugrünen Pilzpigments Xylindein" anmelden und veröffentlichen. Die verfügbaren Informationen zum Deutschen Patent und die veröffentlichte Dissertation haben uns ermutigt einen eigenen Kultivierungsversuch zu starten.
Dabei war uns von Anfang an bewusst, dass der eigene Versuch mit einigen Limitationen insbesondere im Hinblick auf die technischen Möglichkeiten der Umsetzung und unsere begrenzte Expertise zu kämpfen hat. Nun, der Versuch scheiterte am Ende. Es bildete sich in den verschiedenen Kulturen zwar reichlich Biomasse, aber da sich die gewünschte Farbstoffbildung nicht einstellen wollte, blieb unklar, was da gewachsen ist. In der ersten Phase der Enttäuschung und des verzweifelten Festhaltens an den gewachsenen Strukturen wurden dunklere Pilzrasen in Methylethylketon eingerührt, um Farbstoff auszuziehen - leider ohne jeglichen Erfolg!
Im Hinblick auf die historische Praxis lässt sich ein vorsichtiger Schluss ziehen: Die Kultivierung von Chlorociboria aeruginascens stellt offenbar eine große Herausforderung dar. Überlegt man, dass der Pilz in der Natur mehrere Jahre benötigt, um auf Totholz unter geeigneten Bedingungen zu wachsen und schließlich auch Farbstoff zu erzeugen, wird zum einen klar, dass es sich bei den Fundstücken aus dem Wald um seltene "Schätze" handelt und zum anderen, dass die Bedingungen für eine geregelte Farbstoffproduktion durch das Heranzüchten des Pilzes auf Holz nicht so einfach darstellbar sind. Es ist daher aus unserer Sicht recht unwahrscheinlich, dass die Intarsienkünstler*innen vergangener Zeiten eine ebensolche Kultivierung regelmäßig und erfolgreich angestrengt haben. Es finden sich bis dato auch keine Hinweise in der historischen Technikliteratur.
Extraktion von Xylindein und versuchsweise Verwendung des Farbstoffs
Erfolgreich lief es dagegen bei der Extraktion von Xylindein aus pilzbefallenen Hölzern. Auch hier kamen die ersten Hinweise auf ein geeignetes Extraktionsmittel aus der Dissertation von Frau Stange. Die Wahl fiel nach wenigen Vortests auf das oben schon erwähnte Methylethylketon. Mit Unterstützung von Professorin Dr. Ester Ferreira wurden der Soxhlet-Apparat und Rotationsverdampfer aufgebaut und bedient. Im Soxhletverfahren konnte ein strahlend blauer Farbstoff aus Holzspänen gewonnen werden. Anschließend wurde der Farbstoff im Rotationsverdampfer getrocknet und das Lösemittel vom Farbstoff gereinigt.
Der extrahierte Farbstoff konnte anschließend zur Färbung von Holztäfelchen benutzt werden. Die Wahl fiel auf zwei helle Holzarten, die mit einer schwachen Eigenfarbe die jeweilige Färbung mit den Färbelösungen nicht zu stark beeinflusst: Ahorn und Birke. Neben der Färbung der Brettchen mit dem in Wasser aufbereiteten Xylindein-Extrakt wurden auch hinlänglich bekannte, blaue Indigolösungen in Anlehnung an historische Färberezepte hergestellt und auf weitere Brettchen appliziert. Mit der Xylindein-Suspension stellte sich eine vergleichsweise schwache, streifige und eher graugrüne Färbung ein. Sowohl das in wässriger Lösung verarbeitete Indigo aus Färberwaid sowie ein weiteres synthetisches Indigo führten zu deutlich intensiveren, dunkelblauen Färbungen, die die Holzfarbe komplett bedecken.
Ziel der Anfertigung der Probetafeln war es, jene verschiedenen Lichtalterungssituationen auszusetzen, um das zu erwartende Nachlassen der Farbigkeit zu beobachten. Zusätzlich wurden auch Brettchen mit aus Chlorociboriaholz geschnittenen Furnieren beklebt und unbehandelte Ahorn- bzw. Birketäfelchen hinzugefügt. Alle Brettchen wurden zur Hälfte mit einer Hülle aus Aluminiumfolie abgedeckt, sodass das Ausbleichen jeweils an der gleichen Tafel beobachtet werden konnte.
Aus den Täfelchen wurden Sets für eine beschleunigte "natürliche" Lichtalterung - hinter einer Fensterscheibe im Tageslicht -, eine beschleunigte Alterung im UV-Lichtschrank und zur Exposition unter den moderaten Lichtverhältnissen im Atelier zusammengestellt und über die zweimonatige Pause zwischen der ersten und der zweiten Blockwoche exponiert.
Beschleunigte Alterung und weitere Tests
Sowohl die im Tageslicht, wie auch die im UV-Lichtschrank exponierten Täfelchen zeigten ein teils gravierendes Aufhellen der Farbe. Insbesondere die mit Xylindein gefärbten Brettchen haben die Farbe fast gänzlich verloren. Überraschenderweise hat auch die Farbe der Chlorociboriaholzfurniere signifikant nachgelassen. Das war so nicht erwartet worden, weil die Farbigkeit der Furniere an den alten Objekten als außergewöhnlich stabil gilt. Das im Lichtschrank gealterte Set zeigte die deutlichsten Veränderungen, was offenbar auf die Bestrahlungsstärke und den durch die Leuchtmittel hervorgerufenen, hohen Anteil an UV-Strahlung zurückgeht. Letztere wird im Fall des Tageslicht-Sets am Fenster durch das Glas bereits ein wenig reduziert.
Die Farbverschiebungen wurden mithilfe der 12 Studierenden nach Augenschein abgemustert und zusätzlich durch Farbmessungen mit einem einfachen Farbmessgerät dokumentiert. Dabei wurden die Täfelchen mit einer Schablone abgedeckt, die beim Auflegen auf das jeweilige Probetäfelchen zwei kleine Fenster freilässt: eines im gealterten und eines im abgedeckten Bereich. Zur Abmusterung wurden ein Farbfächer des RAL-Design-Systems und ein weiterer des Natural Color Systems (NCS) verwendet. Probleme ergaben sich bei der Beurteilung der Farben der streifigen Chlorociboriaholzfurniere und der eher lasierend gefärbten Xylindein-Täfelchen, weil hier die Farben je nach Region auf dem Brettchen changieren und mindestens zwei Grundtöne wiedergeben: die des Farbstoffs und der durchschlagende, natürliche Farbton des Holzes. Bei genannten Täfelchen kam auch das Farbmessgerät durcheinander und die Messergebnisse waren eher heterogen.
Eine finale Auswertung war aus zuvor genannten und auch aus Zeitgründen während des Workshops nicht möglich. Aber alle Teilnehmenden wurden durch die verschiedenen Winkel des Verfahrens mit den Fehlerquellen im Hinblick auf eine seriöse Interpretation der Ergebnisse konfrontiert. Hieraus erwachsen bereits Ideen zur Vertiefung und Erweiterung der Untersuchungen, die voraussichtlich Thema eines Folge-Workshops sein werden.
Im Anschluss an die Lichtalterung und die Abmusterung wurde an den Brettchen ein Test zur Reibechtheit durchgeführt. Das Verfahren stammt aus der Textilprüfung und wird mit einem sogenannten Crockmeter realisiert. Ein mit einem ungefärbten Baumwollgewebe bespannter Stempel wird mehrfach in einem definierten Prüffeld, mit definiertem Druck und in einer bestimmten Zeit über die zu testende Oberfläche geführt und erzeugt hier Abrieb. Jener lässt sich an dem für jeden Durchgang zu erneuerndem Gewebe sowie an den Brettchen selber ablesen. Auch bei diesem Test galt es in diesem Workshop Ergebnisse zu produzieren, die noch einer Auswertung oder der Verfahrensoptimierung im geplanten Folgeworkshop harren.
Zwei vorläufige Beobachtungen lassen sich trotzdem schon benennen: Zum einen erzeugte der Test etwas überraschend auch erheblichen Abrieb auf den Chlorociboriaholzfurnieren. Zum anderen lag eine weitere Überraschung darin, dass sich auch bei den durch Lichtalterung augenscheinlich komplett verblassten Xylindein-Färbungen auf den Textilflicken ein signifikanter Farbabrieb zeigte.
Fazit und Danksagung
Der Workshop endete mit einer Abschlussbesprechung, während welcher auch der Nutzen der Untersuchungen für die Fragestellungen der Konservierung-Restaurierung diskutiert wurde. Unter Berücksichtigung der begrenzten und teils durch empirisches Vorgehen geprägten Untersuchungen lassen sich zu diesem Thema vorsichtig einige Erkenntnisse als resümieren.
Überraschenderweise lässt die Farbe grünfaulen Holzes unter der Einwirkung von UV-Strahlung im Alterungsschrank signifikant nach! Vor diesem Hintergrund liegt bei Intarsien, in denen die Farbe des Pilzes eher schwach ausgeprägt ist, im Gegensatz zur Vermutung, dass bereits farbschwache Chlorociboriahölzer im Prozess der Herstellung verwendet wurden, möglicherweise eine Lichtalterung von ehedem farbkräftigen Furnieren vor. Die für jedes Intarsienholz spezifischen Farbverschiebungen erschweren es uns ohnehin ein Bild von der ursprünglich intendierten, bunten Farbigkeit der dekorativen oder bildnerischen Arbeit zu gewinnen. Die bis dato in der Fachliteratur noch nicht erwähnte Lichtempfindlichkeit von Chlorociboriafurnieren fügt der Beurteilung der gealterten Intarsienarbeiten ein weiteres Kriterium hinzu.
Die Extraktion und anschließende Verwendung des Xylindeins für die Färbung heller Hölzer ist uns technisch unter Verwendung spezieller Laborgeräte und mithilfe eines geeigneten Lösemittels gelungen. Ästhetisch konnte das Ergebnis der Holzfärbungen allerdings nicht überzeugen. Das aufgetragene Farbmittel hat seine Leuchtkraft und Farbe, die es während der Extraktion noch zeigt, zu einem großen Teil verloren. Die Farbe kann mit graugrün bis schwach indigofarben beschrieben werden. Da die technischen Voraussetzungen früher kaum gegeben gewesen sein dürften und das Ergebnis unserer Farbstoffextraktion in punkto Farbstoffmenge und Farbstabilität tendenziell ernüchternd ausfällt, kann man eine solche Färbetechnik im historisch-traditionellen Kontext vorsichtig ausschließen. Andere Extraktionsmittel können hier vielleicht eine Wendung herbeiführen.
Die Beschichtungsversuche zeigen, dass der Einsatz von Bindemitteln im Zuge der Festigung, Verklebung und Neubeschichtung schadhafter Furniere zuvor gut getestet werden muss. Die Farbveränderungen durch den Stocklack sind extrem und lassen die ehedem kräftig blaugrüne Farbe ins Grünbräunliche wechseln. Ob es sich hierbei um einen einfachen "Gelbfiltereffekt" handelt oder aber der Farbstoff des Furniers tatsächlich leidet, wäre ein weiteres lohnendes Forschungsziel für den schon mehrfach erwähnten Folgeworkshop.
Ein herzlicher Dank geht an Werner Nett, der uns im MAKK die Türen zu wunderbaren "Chlorociboria-Möbeln" des 16. und 17. Jahrhunderts öffnete. Herzlichen Dank auch an Ester Ferreira für die naturwissenschaftliche Unterstützung beim Extrahieren des Farbstoffs! Ein weiterer Dank gilt dem DWI-Leibniz-Zentrum für Interaktive Materialien e.V. für die Bereitstellung des Crockmeters. Nicht zuletzt auch einen Dank an Stephanie Stange, mit der wir zum Abschluss des Workshops noch unsere Beobachtungen und Ergebnisse besprechen konnten.
In der Gruppe der 12 Masterstudierenden waren vier von fünf Studienrichtungen des CICS vertreten! Wir freuen uns über das breite Interesse und danken den Studierenden für die engagierte und motivierte Teilnahme am "Blauen Wunder?".
Der interessante Verlauf des Workshops, die positive Reaktion der Studierenden sowie Ideen zur Verbesserung und Erweiterung der Tests und Untersuchungen ermutigen die beiden Kursleiter*innen einen Anschlussworkshop zu planen. Wir werden beizeiten darüber berichten.
1 Hans Michaelsen hat in vielen Fachbeiträgen und über drei Jahrzehnte hinweg sich mit dem Chlorociboriaholz auseinandergesetzt. Dabei beleuchtet er vor allem die Möglichkeiten der Identifikation und das Vorkommen des farbigen Holzes an historischen Holzobjekten.
2 Einige Fachbeiträge von Hans Michaelsen entstanden in Zusammenarbeit mit verschiedenen restauratorischen Co-Autoren. Auch einige Studienarbeiten an den Hochschulen mit Restaurierungsstudiengängen beschäftigten sich bereits mit dem Thema.
3 Stephanie Stange, Untersuchung des Wachstums und Farbstoffverhaltens von Chlorociboria aeruginascens und Ableiten eines Verfahrensansatzes zur gezielten mykologischen Holzverfärbung, Selbstverlag TU Dresden, 2021