Forschungsprojekt VIWER-S
Binaurales Hören in der realen und virtuellen Welt zur Verbesserung der Hör-Erfahrung von Schulkindern (ViWer-S)
Das Projekt VIWER-S hat zum Ziel, das Hörerlebnis von Schulkindern zu verbessern. In Zusammenarbeit mit der Jade Hochschule Wilhelmshaven / Oldenburg / Elsfleth entwickeln wir Hilfsmittel, die das Hörvermögen von Kindern mit einer Schwäche in der räumlichen auditiven Wahrnehmung verbessern.
Kinder mit einer räumlichen Verarbeitungsstörung (engl: spatial processing disorder, SPD) haben Schwierigkeiten, Geräusche im Raum zu lokalisieren und zu filtern, obwohl ihre audiologische Fähigkeit zu hören nicht beeinträchtigt ist und entsprechend audiometrischen das Außen- und Mittelohr nicht betroffen sind. Sie leiden jedoch an einer Störung, die auf eine Beeinträchtigung der Hörverarbeitungsfähigkeit des Gehirns zurückzuführen ist.
Das Gehirn von Menschen mit einer Hörverarbeitungsstörung kann die im Schall enthaltenen Informationen also nicht vollständig verarbeiten. Im speziellen Fall von Kindern mit SPD ist ihre Fähigkeit eingeschränkt, die binauralen Signale zu nutzen, um selektiv auf Geräusche aus einer Richtung zu achten und gleichzeitig Geräusche aus einer anderen Richtung zu unterdrücken. Diese Fähigkeit ist wichtig, um Gesprächen in Umgebungen mit vielen Hintergrundgeräuschen zu folgen. Infolgedessen haben diese Kinder oft Lernschwierigkeiten, weil sie dem Unterricht in der Schule kaum folgen können. So gelingt es ihnen beispielsweise nicht, Gespräche von Mitschülern oder Bewegungsgeräusche auszublenden. Außerdem haben sie oft Probleme mit dem Sprachverständnis und damit auch mit dem Lesen und Schreiben.
Das Projekt VIWER-S verfolgt zwei Ansätze, um Kindern mit SPD zu helfen:
Zum einen wird ein technisches Hörgerät entwickelt, das aus einem Mikrofon-Array besteht und die Geräusche aus dem Raum aufnimmt, filtert und an das Kind weitergibt. Auf diese Weise nimmt das Kind den Sprechenden über Kopfhörer richtig wahr (als aus der richtigen Richtung kommend). Weitere Informationen zu diesem Ansatz finden Sie bei in dem folgenden Artikel zum Projekt Jadewelt.
An der TH Köln konzentrieren wir uns dagegen auf die Entwicklung einer Applikation, mit der die Kinder ihr räumliches Hörvermögen trainieren können. Diese Applikation soll den Kindern helfen, ihr räumliches Hörvermögen in einer vertrauten Umgebung (z.B. zu Hause) und zu Zeiten ihrer Wahl spielerisch zu trainieren. Es wird eine virtuelle Realität geschaffen, in der die Kinder intuitiv agieren und reagieren können. Auf diese Weise umgehen wir das Problem der herkömmlichen Hörgeräte, die nur ein nicht-räumliches Signal vom Mikrofon des Lehrers an das Kind weitergeben.
Unser Ziel ist es, völlig neue Formen der Unterstützung für Kinder mit SPD zu schaffen. Dazu werden wir virtuelle akustische Umgebungen (VAEs) schaffen, in denen die Kinder ihr Richtungshören trainieren können. Die Wirksamkeit eines solchen Trainings ist bereits gut dokumentiert. Die bisher verfügbaren Trainingsmethoden zielen jedoch ausschließlich auf die Verbesserung des Sprachverständnisses zweier konkurrierender Sprecher ab und lassen Aspekte wie die Lokalisierung von Objekten im Raum oder die Raumakustik außer Acht. Außerdem verwenden die derzeit verfügbaren Methoden ausschließlich traditionelles Hörtraining mit auditiven Hinweisen. Sie lassen die Vorteile der multisensorischen Interaktion und das Gefühl der Immersion, das VR- und AR-Erfahrungen bieten können, außer Acht. Diese multisensorischen Interaktionen zwischen Hören, Sehen, Berühren und Propriozeption haben unverzichtbare Assoziationen im Gehirn offenbart, die bei der Lokalisierung von Schallquellen helfen. Daher beabsichtigen wir, diese Fähigkeiten in einer immersiven VR/AR-Trainingsanwendung zu nutzen, die darauf abzielt, die binauralen Verarbeitungsfähigkeiten von Kindern, bei denen SPD diagnostiziert wurde, zu verbessern und den Lernprozess durch Einbeziehung multisensorischer Reize zu unterstützen und zu verbessern.
Nach Abschluss dieses Projekts werden wir die Trainings- und Lernmechanismen des räumlichen Gehörs besser verstehen. Darüber hinaus werden wir die im Projekt erstellten virtuellen akustischen Umgebungen (VAEs) in ganz anderen Kontexten einsetzen, wie z. B. bei der Erstellung einer virtuellen Akustik für Industrie 4.0 oder bei der Entwicklung neuer Hörgeräte für die Raumakustiksimulation zur Unterstützung von Menschen mit anderen Hörbehinderungen.
Auf einen Blick
Kategorie | Beschreibung |
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Forschungsprojekt | Forschungsprojekt VIWER-S |
Leitung | Prof. Dr.-Ing Christoph Pörschmann |
Fakultät | Fakultät für Informations-, Medien- und Elektrotechnik |
Institut | Institute for Computer and Communication Technology |
Beteiligte | Christoph Pörschmann, Melissa Ramírez |
Projektpartner |
Jade University of Applied Sciences Wilhelmshaven / Oldenburg / Elsfleth Dear Reality GmbH, Düsseldorf KIND Hörgeräte, Großburgwedel Fraunhofer IDMT (Department HSN in Oldenburg) Acoustics Office Oldenburg Technical University Berlin University Oldenburg RWTH Aachen |
Fördermittelgeber | BMBF - Bundesministerium für Bildung und Forschung |
Laufzeit | 01.01.2019 – 31.12.2024 |