Amin Boulassouak - University of North Florida
Jacksonville, Florida, USA - 2011
Spätestens in dem Moment wo Du diesen Bericht liest, spielst Du schon mit dem Gedanken, ein Auslandssemester zu absolvieren. Ein sehr berechtigter Gedanke, denn ein Auslandssemester ist ein sehr wichtiger Bestandteil des Studiums, der jedem zu empfehlen ist. Dabei geht es nicht nur darum, den Studieninhalt in einem anderen Land zu erlernen, viel wichtiger ist es die Sprache des Landes zu beherrschen, eine neue und interessante Kultur und nette Menschen kennen zu lernen, und auch die Eigenverantwortung und Selbständigkeit in einem fremden und unvertrauten Ort unter Beweis zu stellen.
Doch ein Auslandsaufenthalt ist bei weitem leichter gesagt als getan. Eine gründliche und realistische Planung und Vorbereitung ist extrem wichtig und unumgänglich, insbesondere vom finanziellen Aspekt. Nach meiner Erfahrung ist die Vorbereitung aufwendiger und mühsamer als das Auslandsstudium selbst. Dabei sollte man sich folgende Fragen stellen:
- Wo möchte ich mein Auslandssemester verbringen, bzw. welche Sprache möchte ich lernen?
- Werden Module für meine Studienrichtung angeboten (und wo in diesem Land)?
- Besteht eine Kooperation zwischen der FH Köln und einer Universität des jeweiligen Landes, was bestenfalls zu einer Ermäßigung oder gar Abschaffung der Studiengebühren führt?
- Wie hoch sind die Studiengebühren?
- Welche Finanzierungsmöglichkeiten habe ich? BAföG, DAAD, Fulbright, etc.?
- Welche Fristen müssen eingehalten werden?
- Welche Sprachkenntnisse werden vorausgesetzt?
- Wie sind die Semesterfristen? Bzw. ist es sinnvoller, das Sommer- oder Wintersemester dort zu verbringen?
- Wo sollte ich untergebracht werden? Auf dem Campus oder doch lieber außerhalb für evtl. günstigere Miete.
Dies sind nur einige der wichtigsten Fragen, die man sich zu Beginn der Vorbereitung stellen sollte. In Wirklichkeit besteht weit mehr Klärungsbedarf, was man auf keinen Fall ignorieren sollte, um möglichst wenig Enttäuschungen zu erleben.
In meinem Fall gab es einen derartigen Bericht, den Du gerade liest, leider noch nicht, da ich und ein weiterer Kommilitone, die ersten sind, die an der UNF in Jacksonville/Florida/USA gewesen sind. So mussten wir uns mit allen möglichen Fragen auseinander setzen. Glücklicherweise lief fast alles wie geplant und die aufwendige Planung erwies sich als sehr gelungen. Nun sind wir froh darüber euch an unseren Erfahrungen teilnehmen zu lassen, um euch möglichst viele Umwege und Ärger zu ersparen.
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An dieser Stelle sehr wichtig zu erwähnen: die Vorbereitung sollte möglichst früh angefangen werden, jedoch mindestens ein Jahr vor Beginn des Auslandssemesters (besser wären 1,5 Jahre). Da ich damals schon sicher wusste, in die USA reisen zu wollen, stellte sich für mich nur noch die Frage, zu welcher der beiden Partner-Universitäten der FH Köln, Fak.07, die mir zur Verfügung standen: UNF (University Of North Florida), oder TTU (Tennessee Tech University). Beide bieten interessante Module zu meinem Studium 'Elektrische Energietechnik' an. Trotzdem bringen beide Hochschulen Vor- und Nachteile mit.
Die TTU hat ein enges Abkommen mit der FH Köln, somit wären die Studiengebühren genau so hoch wie für einen dort ansässigen Amerikaner, nämlich ca. $2700. Andererseits (dies wurde mir von anderen mitgeteilt) soll die TTU sich in einer nicht so interessanten Lage befinden wie die UNF, was sich auf den Spaß- als auch Wetterfaktor negativ auswirkt. Dagegen liegt die UNF an der Atlantikküste, wo die Sonne fast rund ums Jahr scheint und wo sich viele interessante und aufregende Reisemöglichkeiten ergeben. Nachteil sind die hohen Studiengebühren, da die UNF keine finanziellen Abkommen mit der FH Köln hat. Als nicht Staatsansässiger fallen zusätzliche Kosten von ca. $5400, insgesamt ca. $7600 pro Semester an. In Euro umgerechnet sind das ca. 5600€ mit aktuellem Umrechnungskurs - kein geringer Betrag, den man schmerzlos abgeben würde. Und das sind nur die reinen Studiengebühren, ohne Wohn-, Unterhalt-, Reisekosten, usw.
In meinem Fall fiel die Entscheidung auf die UNF, da ich Anspruch auf Auslands-BAföG hatte und dementsprechend die hohen Kosten einigermaßen überwinden konnte. Was viele nicht wissen: außer dem monatlichen Zuschuss für Lebensunterhalt, Miete und Versicherung von max. ca. 750€ und den Reisekosten i.H.v. 1000€, beschert uns das BAföG-Amt mit seiner Großzügigkeit einmalig bis zu 4600€ als Studiengebührenrückerstattung bei Vorlage einer Quittung. Parallel dazu kann man sich beim DAAD oder vergleichbaren Sponsoren um ein Stipendium bewerben, das dann unabhängig vom BAföG wäre. Ich entschied mich wie oben erwähnt für die UNF. Später begriff ich, dass ich mich überall hätte bewerben können, da die UNF eine Gebührenermäßigung ablehnt (außer der UNF gibt es mindestens zwei weitere interessante Unis, die in der gleichen Preiskategorie liegen).
Solltest du dich für die UNF entscheiden, so empfehle ich Dir, Herrn Prof Bartz (ZW6-12) aufzusuchen. Er ist der Ansprechpartner für Angelegenheiten des Auslandsstudiums in den USA und UK und hat immer ein offenes Ohr für Auslandsinteressierte und bietet auch kompetente Hilfestellungen an. Darüber hinaus kann er das Bewerbungsverfahren aufgrund seiner Verbindungen, z. B. zur UNF, eventuell beschleunigen. Vorher sollte man sich jedoch überlegt haben, ob man für ein oder zwei Semester reisen möchte und ob beginnend mit dem SS oder WS. Dabei ist zu beachten, dass die Semesterzeiten in den USA sich von unseren unterscheiden => SS: 03.Jan.-31.Apr.; WS: 20.Aug-10.Dez. (alle Daten ± 3Tage).
Um einen Studienplatz zu bekommen, mussten bestimmte Kriterien erfüllt werden, u.a. das Ablegen des TOEFL-Tests. TOEFL ist ein umfangreicher Englischtest, der von einer international anerkannten Organisation abgenommen wird; Kosten: ca. 100€. Der Test sollte nicht unterschätzt werden. Aufgrund der internationalen Erwartungen ist der Test nicht gerade mit Leichtigkeit abzulegen. Eine ausreichende Vorbereitung ist sehr empfehlenswert. Viele nehmen sogar an Vorbereitungskursen teil, z. B. bei der VHS. Weitere Voraussetzungen sind eine Auslandskrankenversicherung (Empfehlenswert ist HanseMerkur für 44€/Monat, optional auch eine Unfall- und Haftpflichtversicherung für weitere 6€, oder die UNF-Alternative), eine Bürgschaft, die ca. $14000/Sem. abdeckt, und eine ärztliche Untersuchung basierend auf einer Vorlage der UNF.
Hat man einen Studienplatz zugesichert bekommen, so sind als nächstes die Einreiseformalitäten zu klären. Ein International-Student-Advisor wird dann Kontakt mit Dir aufnehmen und Dich während dessen unterstützen, z.B. mit der Ausstellung des I-20-Dokumentes. Das I-20 ist ein für das Studentenvisum notwendiges Dokument, das von der amerikanischen Behörde auf Anfrage der US-Universität ausgestellt wird. Dein Advisor leitet dies an Dich weiter, damit es beim amerikanische Konsulat (z. B. in Düsseldorf) bei der VISA-Antragstellung vorgelegt werden kann, nachdem bestimmte Zahlungen geleistet wurden (SEVIS, VISA-Antragsgebühren, etc.).
Um keine Zeit zu verlieren, sollte währenddessen überlegt werden, welche Module man im Ausland belegen will, bzw. welche zu den hiesigen Modulen äquivalent sind, so dass man sie problemlos anerkennen lassen kann. Zur Klärung dieser Frage wendet man sich an den Beauftragten der Studienrichtung, die man hat. Für EE z. B. ist es Herr Prof. Nachtigall. Die ausgewählten Module sollte man dann von Herrn Prof. Rosenthal, dem Verantwortlichen für Prüfungsangelegenheiten der Fakultät 07, signieren lassen. Er entscheidet auch ob und welche Module nach dem Auslandsstudium anerkannt werden können.
Sehr relevant ist auch die Frage nach der Unterkunft - unbedingt vor der Einreise klären. Zu meiner Zeit hatte ich ein Zimmer im Studentenwohnheim der UNF reserviert. Auf der UNF Homepage (s.u.) gibt es eine große Auswahl an Wohnbereichen mit unterschiedlichem Komfort und natürlich auch unterschiedlichen Preisen. Sehr interessant fand ich den Fountain-Wohnbereich, mit Swimmingpools, Fitness-Area, Games-Room, und mehr, bei geringer Preisdifferenz zu den übrigen Standardeinrichtungen. Ein Einzelzimmer im Fountain kostet ca. $3200/Sem. entspricht ca. $800/Mon. Wer aber nicht so viel ausgeben möchte, der sollte sich online ein Zimmer außerhalb vom Campus suchen, möbliert und mit eigenem Badezimmer sowie Pool- und Fitnessraum-Benutzung; Durchschnittsmiete: ca. $400/Monat. Nachteil ist, dass man eine Transportmöglichkeit haben muss, je nachdem wie weit man vom Campus untergebracht ist. Öffentliche Verkehrsmitteln lassen, zumindest in Florida, sehr zu wünschen übrig. Stattdessen fährt jeder mit dem Auto. Ich hatte im ersten Semester im Studentenwohnheim gewohnt. Dadurch, dass man überall zu Fuß hin kommen kann, war ich auch nicht auf ein Auto angewiesen. Im zweiten Semester zog ich allerdings nach außerhalb um und kaufte mir einen Scooter. Bei dem warmen Wetter war das die beste und kostengünstigste Entscheidung.
Bei meiner Ankunft in der Stadt war ich zuerst sehr beeindruckt von der Optik der Universität. Eine Kleinstadt für 16000 Studenten. Viel Wasser und Grünflächen sind zu sehen, ein traumhafter Athletik- und Sportbereich und sehr interessante Einrichtungen und Aktivitäten. Meine Wohneinrichtung ähnelte einem 4*-Hotel. Durch das schöne Wetter wird man auch sehr in Urlaubsstimmung versetzt.
Außerhalb vom Campus ist man in ca. 10 min mit dem Auto am Strand. Die Mehrheit der Studenten besitzen einen PKW und bilden gerne Fahrgemeinschaften für Ausflüge. Das Nachtleben ist auch sehr interessant zu erwähnen. Aufgrund der Lage ist man auch nicht sehr weit von sehr interessanten Städten, wie Orlando (Disney World), Miami, Panama City (Spring Break), usw. Es gibt sogar die Möglichkeit, für ca. $30 mit dem Bus nach New York zu fahren (one way).
Egal wo man hingeht sind die Leute sehr nett und höflich und heißen einen sehr willkommen. Studenten und Dozenten sind sehr hilfsbereit. Sehr gut und kompetent weitergeholfen hat auch Prof. Dr. Cox, der Kooperationspartner von Hr. Prof. Bartz, sowie das International Office.
Was das Studium angeht: je nachdem wie gut man die englische Sprache beherrscht, kann es einem etwas schwer fallen, mit der Vorlesung mitzuhalten (insbesondere in den ersten vier Wochen). So ist es mir zumindest ergangen. Obwohl meine Englischkenntnisse vor der Reise ganz gut waren (dachte ich zumindest), musste ich zu meiner Enttäuschung der Realität ins Auge blicken und feststellen, doch nicht so gut Englisch zu können. Jedoch entwickelten sich meine Sprachkenntnisse rasant schnell, dass es für mich nach wenigen Wochen kein Problem mehr war mitzuhalten. An dieser Stelle empfehle ich Kurse zu belegen, die einen auch sprachlich weiterbringen. So hatte ich z. B. im ersten Semester den Kurs 'Professional Speaking for Business' belegt, wo ich alle zwei Wochen einen Vortrag halten musste. Dass man der Sprache nicht sehr mächtig ist, wird einem nicht übel genommen. Eher erfährt man Unterstützung und Lob von Kommilitonen und Dozenten. Auch Module der Elektrotechnik fand ich sehr interessant. Der Unterrichtsstil ist sehr abwechslungsreich gestaltet, und persönliche Betreuung wird großgeschrieben. Anwesenheit und Hausaufgaben machen einen Großteil der Endnote aus, etwas, das uns in der FH Köln mehr oder weniger unbekannt ist. Allerdings wird man dadurch ständig angetrieben. Somit konnte ich mit Leichtigkeit gute Noten erzielen. Übrigens muss man sich zu Kursen online rechtzeitig anmelden. Einige sind sehr schnell belegt, auch schon vor Anfang des Semesters.
Das waren die wesentlichen Informationen und Erfahrungen während meinem Auslandsaufenthalt. Alles Weitere kommt mit der Zeit. Wichtig ist es zu wissen, dass man sich sehr schnell anpasst und dort zurecht findet. Es gibt also keinen Grund sich davor zu scheuen und sich eine sehr interessante und lehrreiche Zeit seines Lebens entgehen zu lassen.
Ich hoffe ich konnte euch hiermit einige offene Fragen beantworten und euch bei euren Entscheidungen behilflich sein. Obwohl ein Auslandssemester viel Mühe und Kosten mit sich bringt, hat es auch ganz interessante Seiten an sich, für die es sich ganz sicher lohnt, das eine oder andere Opfer zu bringen. Ich würde es ohne zu zögern wieder machen.
Weiterhin viel Glück und Erfolg im Studium.
Amin Boulassouak
Februar 2015