Biosysteme

Im GreenING Lab forschen wir an Biosystemen und ihren technischen Einsatzmöglichkeiten im Gebäude. Dazu zählen höhere Pflanzen, Moose, Algen und Mikroorganismen.

Pflanzliche Biosysteme haben nicht nur einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden, sie sind auch in der Lage ‒ durch die sogenannte Phytosanierung ‒ Schadstoffe aus der Umgebung aufzunehmen und zu verstoffwechseln. So steigern sie die Raumluftqualität und tragen durch die passive Kühlung zu einem komfortablen Raumklima bei. Ebenso kann ihre schalldämpfende Wirkung den akustischen Komfort eines Raumes erhöhen. Pflanzen beherbergen eine reichhaltige Mikroflora, die einen positiven Effekt auf das Mikrobiom eines Gebäudes hat.

Die Biomasse lässt sich nutzen, um durch Gärungsprozesse oder Pyrolyse verschiedene Brennstoffe zu erzeugen. Daneben untersuchen wir die Einsatzmöglichkeiten der sogenannten pflanzenbasierten, mikrobiellen Brennstoffzelle (PMFC). Sie nutzt den durch die Photosynthese angeregten Energiestoffwechsel des rhizosphären Mikrobioms. So erzeugt die Pflanze nutzbare Energie im vitalen Zustand.

Im Kontext des Indoor Farmings betrachten wir Pflanzen und Algen für den heimischen Nahrungsmittelanbau. Aufgrund des Platz- und Zeitmangels werden die Beete oder Reaktoren vermehrt vertikal konzipiert und mit Sensor- und Aktorsystemen ausgestattet, die einen automatisierten Betrieb ermöglichen. Mithilfe von spezialisierten Anlagen wie beispielsweise der Hydroponik lassen sich die Wasser- und Nährstoffversorgung genau steuern.

Ziele des Labs sind es, die Potenziale von Biosystemen für den Gebäudebereich zu untersuchen und u. a. Prototypen zu entwickeln, die durch erneuerbare Ressourcen einen klimafreundlichen Gebäudebetrieb ermöglichen und die Lebensqualität steigern.

Höhere Pflanzen

Die Evolution von Gefäßpflanzen bildete den Grundstein des uns heute bekannten Lebens. Mit der Entstehung von Wäldern bildeten sich hochproduktive Landökosysteme, in denen komplexe Organismen entstehen konnten. Höhere Pflanzen prägen den Lebensraum des Menschen und sind ein essentieller Teil unserer Lebensgrundlage. Sie sind Nahrungs- und Arzneimittel und stellen eine Quelle für Ressourcen aller Art dar. So werden beispielsweise Fasern zu Textilien verarbeitet und Holz als Baumaterial oder Energiequelle verwendet. Mit Beginn des Anthropozän und der zunehmenden Urbanisierung verdrängte der Mensch sein natürliches Habitat und mit ihm einen Großteil der Pflanzen. In jüngerer Zeit wird der positive Einfluss von Pflanzen auf den Menschen wieder vermehrt diskutiert.

Grundsätzlich fühlen sich Menschen wohler, wenn sie von Pflanzen umgeben werden. Pflanzen wirken stressmindernd und kreativitätsfördernd. Durch Phytosanierungsprozesse sind sie dazu in der Lage, Schadstoffe aus ihrer Umgebung zu speichern, zu metabolisieren und somit „unschädlich“ zu machen. Daneben tragen sie zur passiven Kühlung bei und können den akustischen Komfort innerhalb eines Raumes erhöhen. Pflanzen beherbergen eine reichhaltige Mikroflora, die einen positiven Effekt auf das Mikrobiom eines Gebäudes hat.

Moose

Obwohl die schadstoffreinigende Wirkung verschiedener Pflanzen bereits gut erforscht ist, widmen sich nur wenige Studien den Moosen (sogenannten Kryptogamen) als Bestandteil von Biofiltersystemen. Dabei besitzen sie vielfältige Potenziale für den Einsatz in der technischen Gebäudeausrüstung: Moose haben sich über Jahrmillionen an unwirtliche Lebensbedingungen angepasst und sind dadurch nicht nur äußerst robust, sondern in der Lage an schadstoffbelasteten Orten zu überleben. Moose besitzen keine Wurzeln, die an Fassaden oder technischen Geräten Schaden anrichten können. Sie benötigen aufgrund ihrer geringen Wuchshöhe weniger Platz und können sich in alle Richtungen entfalten. Hinzu kommt, dass Moose eine deutlich größere effektive Oberfläche besitzen als andere Pflanzen, wodurch sich die Aufnahmekapazität von Schadstoffen erhöht. Darüber hinaus wird ihnen eine fungizide und antimikrobielle Wirkung nachgesagt.

In einem BMBF-geförderten Forschungsprojekt Biosorp-it untersuchten wir die Einsatzpotenziale von innenraum-geeigneter Moose, die Entwicklung modularer Wandsysteme und die Effekte auf den Schadstoffgehalt im Innenraum.

Algen

In den letzten Jahren ist ein regelrechter Hype um die gezielte Nutzung von Algen als Rohstoff innovativer Produkte entstanden. Algen dienen als Bestandteil biologisch-abbaubarer Kunststoffe oder als Quelle reichhaltiger Nährstoffe. Mithilfe von Algenbioreaktoren lässt sich Strom nachhaltig erzeugen. Derzeit befinden sich die grünen Technologien noch in den „Kinderschuhen“, jedoch arbeiten verschiedene Forschungsgruppen an der Effizienz des „Biosystems Alge“. Bei der sogenannten „kaskadischen Extraktion“ werden wertvolle Bestandteile von Mikroalgen (z. B. Farbstoffe, Proteine und Lipide) nacheinander extrahiert. Aus der übrigen Biomasse wird Energie erzeugt, oder sie wird als Dünger verwendet. So kann die Ausbeute aus der, bisweilen noch sehr energieaufwändigen, Kultivierung von Algen weiter gesteigert werden.

Neben der Verwertung von Algen zu Biorohstoffen lassen sich die Organismen auch in lebenden Biosystemen einsetzen. Genau wie andere Pflanzen, sind auch Algen dazu in der Lage Schadstoffe aus ihrer Umgebung zu filtern. Verschiedene Studien haben die Effizienz der Algen als Luftfilter-Systeme belegt und durch eine höhere Photosyntheserate können sie bei gleichem Platzbedarf mehr CO2 verstoffwechseln als konventionelle höhere Pflanzen. Auch im urbanen Raum erhalten Mikroalgen Einzug als innovative „Carbon Capture Technologien“ wie beispielsweise in dem Forschungsprojekt „Liquid3“ in der serbischen Hauptstadt Belgrad.

In dem BMBF-geförderten Projekt Norifarm befassten wir uns mit der Entwicklung eines Tanksystems zur heimischen Kultivierung von Makroalgen. Kontrolliert-kultivierte Makroalgen sind eine vegane und schadstoffarme Alternative zur Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren gegenüber dem Fischverzehr.

Mikroorganismen

Die Mikroflora ist ein Grundbestandteil eines jeden Biosystems. Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze versorgen Pflanzen mit Nährstoffen und schützen sie vor Krankheiten und anderen Stressoren. Eine Pflanze und ihre Mikroflora müssen daher als Holobiont, das heißt als Gesamtlebewesen, betrachtet werden.

Auch bei der Phytosanierung, also der Fähigkeit einer Pflanze ihre Umgebung von Schadstoffen zu befreien, spielen Mikroorganismen eine wichtige Rolle, in dem sie zum Beispiel organische Schadstoffe chemisch verändern und unschädlich machen (Phytodegradation).  

In den letzten Jahren hat die Forschung rund um das Mikrobiom von Gebäuden (“Microbiome of the Built Environment”) einen Aufschwung erlebt. Erst seit kurzem wird deutlich, wie wichtig dieser Faktor für ein gesundes Leben ist. Hier können Pflanzen einen Mehrwert liefern, in dem sie mit ihrer eigenen Mikroflora die Diversität des Mikrobioms im Innenraum erhöhen und dadurch die Ausbreitung von Pathogenen eindämmen.

Mikrobiom

Kontinuierlich tragen der Luftwechsel sowie Mensch, Tier und Pflanzen neue mikroskopisch-kleine „Freunde“ in die Wohnung. So hat jedes Gebäude – bzw. jeder Raum – ein individuelles Mikrobiom. Mehrheitlich sind die Bakterien für den Menschen ungefährlich, stärken sogar das Immunsystem und schützen vor Infektionen und Allergien. Wenn das Biosystem „Mikroflora“ allerdings gestört ist, können pathogene Keime die Nischen besetzen und zu Erkrankungen der Bewohner führen.

Paradoxerweise wird diese Veränderung vor allem in Gebäuden mit hohen Hygieneanforderungen, wie etwa Krankenhäusern, beobachtet. Studien zeigen, dass durch frequentiertes Reinigen die mikrobielle Diversität sinkt und zu einem stärkeren Anstieg multiresistenter Keime führt. Pflanzen sind mit ihrer eigenen Mikroflora dazu in der Lage, die Diversität des Mikrobioms eines Raumes zu stabilisieren und so für ein gesundes Mikroklima zu sorgen.

Ziele des Labors sind es, die mikrobiellen Biosysteme zu untersuchen, mögliche Nischen für Pathogene „pro aktiv“ zu schließen und deren Wachstum zu verhindern. Zukünftig sollen Produkte entstehen, die mithilfe von Bakterien auf natürliche Weise ein gesundes Innenraumklima sicherstellen. Der Forschungsansatz könnte insbesondere für hygienesensible Bereiche, wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, neue Strategien zur Verhinderung von pathogenen Keimen eröffnen.


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